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Suspekte Oberlidschwellung, Knochenprominenz und Sehstörung: Falldarstellung
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Published: | June 10, 2025 |
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Ziel: Interdisziplinäre Fortbildung.
Hintergrund: Schädelbasis-Tumoren können im Neurokranium wie auch im Viszerokranium auftreten, und somit auch die Orbita betreffen. Lidschwellung und Knochenprotrusion können auch auf einen Schädelbasistumor hinweisen und fordern auf engstem Raum mehrere Fachrichtungen zur interdisziplinären Diagnostik und Therapie. In dem hier präsentierten Fall nahm die fachübergreifende Zusammenarbeit ihren Anfang in der Augenheilkunde.
Methode: Bei einer 35-jährigen Patientin mit persistierender Oberlidschwellung links zeigten sich palpatorisch eine druckschmerzhafte Raumforderung der superomedialen Orbitakante mit Stirnprominenz und Bulbusverdrängung nach inferiotemporal links. Im 30°-GF fanden sich am OS ein superonasales Skotom; in den CT- und MRT-Bildern eine expansive Struktur der li. Stirnhöhle, der vorderen Schädelgrube, der Orbita und der Siebbeinzellen.
Vier Monate später traten Verschwommensehen, Epiphora und periorbitales Druckgefühl auf.
Weitere Befunde: Rotentsättigung, neue GF-Ausfälle und erstmalige Papillenprominenz, sowie peri- und makulopapilläre Netzhaut-Falten links; linksseitiger Bulbustieferstand bei der Konvergenzprüfung und beidseitige Trigeminus-Funktionsstörung.
Ergebnisse: Innerhalb von 6 Tagen erfolgte eine transfrontale Tumor-Komplettresektion in der HNO-Abteilung. Die Stirnhöhlenwand li. wurde mit Resten von tumorfreiem Knochen und einem Titanmesh rekonstruiert, die freiliegende Hirnhaut mit Lyoplant und periumbilikalem Bauchfett abgedeckt. Postoperativ wurden links wieder scharfes Sehen; ein retrobulbäres FK-Gefühl für 3 Tage, aber kein Bulbus-Druckgefühl und keine Rotentsättigung mehr angegeben.
Das 30°-GF wurde unauffällig. Papillenprominenz und peripapilläre wie papillomakuläre Netzhaut-Falten sind langsam rückläufig. Die Stirn ist wieder symmetrisch gewölbt. Auch im Verlauf traten keine Komplikationen auf
Schlussfolgerungen: Eine zunächst harmlos erscheinende, aber persistierende Lidschwellung führte durch interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Darstellung eines – sich über drei Räume ausdehnenden – Knochentumors der Schädelbasis: nach intrakraniell, in die Orbita und in die Nasennebenhöhle.
Erst nach Auftreten von ophthalmologischen Beschwerden und Befunden wurde die – mittlerweile dringende – operative Intervention von der Patientin akzeptiert, um eine bleibende Sehnervenschädigung zu vermeiden.
Komplexe pathomorphologische Befunde an der Schädelbasis können mit orbitalen Symptomen auf eine beginnende Optikusgefährdung aufmerksam machen.
Pathophysiologische Prozesse können erst nach längerem Zeitraum mit manifesten Symptomen in Erscheinung treten.