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YAG-Kapsulotomie und Ablatiorisiko neu betrachtet
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Published: | June 10, 2025 |
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Mehr als die Hälfte aller Cataract-operierten Patienten benötigt im Verlauf wegen der Nachstarentwicklung eine Nd:YAG-Kapsulotomie. Große Studien haben ein 4-fach erhöhtes Risiko für eine Netzhautablösung im Vergleich zu nicht-behandelten Augen aufgezeigt. In neueren Studien wird diese Häufigkeit in Frage gestellt. Da die Cataractoperation der absolut häufigste operative Eingriff ist und in der Folge entsprechend hohe Kapsulotomiezahlen notwendig werden, kommt der Bewertung des Ablatiorisikos eine große Bedeutung zu – sowohl aus epidemiologischer Sicht als auch für die Patientenaufklärung.
Während es zahlreiche Untersuchungen zur Häufigkeit und den Risikofaktoren einer Ablatio nach Cataract-Operation gibt, ist der Zusammenhang zwischen Ablatio und Nd:YAG-Kapsulotomie weniger gut evaluiert.
Wesentlicher pathogenetischer Faktor für die Entstehung einer pseudophaken Ablatio ist die hintere Glaskörperabhebung (HGA). Der zeitliche Zusammenhang zwischen Cataractchirurgie, einer postoperativ induzierten HGA und konsekutiven Pseudophakieablatio ist gut belegt. Abhängig von weiteren Risikofaktoren (Myopie, Netzhautdegenerationen, Myopie, Alter, Ablatio am 1. Auge etc.) kann die Inzidenz einer Pseudophakieablatio auf 20% und mehr steigen. Die Induktion einer HGA durch Nd:YAG-Kapsulotomie wurde bisher nicht nachgewiesen. Die heute angegebene Ablatiohäufigkeit nach Kapsulotomie liegt <1%, und damit in der Größenordnung des natürlichen Risikos (baseline risk) für eine Netzhautablösung.
Es verbleibt die Frage, ob andere Mechanismen für die seltenen Pseudophakiefälle nach Nd:YAG-Kapsulotomie verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang muss der vordere Glaskörper betrachtet werden. Es bestehen anatomische Beziehungen zwischen vorderer Glaskörpergrenzschicht, Linsenkapsel, GK-Basis und peripherer Retina. Unsere Hypothese ist, dass neue Traktionsvektoren durch die Nd-YAG-induzierte Disruption entstehen können, die bis in die Glaskörperbasis übertragen werden. Bei vorbestehenden vitreoretinalen Adhärenzen könnten diese einen retinalen Defekt mit konsekutiver Ablatio hervorrufen.
Die bisher angenommene Assoziation von Nd-YAG-Kapsulotomie und Ablatio sollte neu betrachtet werden.
Die erhöhten Ablatioinzidenzen nach Nd-YAG-Kapsulotomie stammen aus der ECCE-Ära und großen Studien, in denen multivariante Analysen verwendet wurden, um die Signifikanz verschiedener Risikofaktoren zu evaluieren. Der Faktor Nd-YAG-Kapsulotomie ist am ehesten ein Konfundierungseffekt: Erstens bleibt der pathogenetische Zusammenhang von Kapsulotomie und Ablatio unberücksichtigt. Zweitens wird in den Studien der Zeitpunkt der Cataract-OP für das Auftreten der Ablatio zugrunde gelegt, anstelle die von der Kapsulotomie und folgenden Netzhautablösung.
Neuere Studien, die spezifisch letzteren Aspekt berücksichtigen, weisen keinen überzeugenden Zusammenhang zwischen Kapsulotomie und Ablatio mehr auf. Die genannten pathophysiologischen Überlegungen lassen vermuten, dass das Pseudophakieablatio-Risiko nicht signifikant erhöht ist, und wenn doch eine Ablatio auftritt, dann trotz und nicht wegen einer Nd-YAG-Kapsulotomie.