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64. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e. V.

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e. V.

19.-22.06.2024, Freiburg

Dicke Hose? – Brucellose! Ein Fallbericht

Meeting Abstract

  • Constantin Tilgener - Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie, Klinikum Stuttgart
  • F. Eller - Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie, Klinikum Stuttgart
  • J. Eller - Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie, Klinikum Stuttgart
  • J. Bedke - Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie, Klinikum Stuttgart
  • U. Humke - Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie, Klinikum Stuttgart

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e.V.. 64. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e.V.. Freiburg, 19.-22.06.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocV4.5

doi: 10.3205/24swdgu35, urn:nbn:de:0183-24swdgu359

Published: May 13, 2024

© 2024 Tilgener et al.
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Einleitung: Das akute Skrotum ist ein häufiges Krankheitsbild, was jedoch viele Differentialdiagnosen neben der Entzündung und Torsion beinhaltet. Die Brucellose gehört zu den weltweit häufigsten Zoonosen bei Nutztieren. Insbesondere im Mittelmeerraum kommt es beim Menschen zur Infektion durch den Verzehr tierischer Produkte wie roher Frischmilch/-käse. Eine Beteiligung des Urogenitaltraktes ist selten.

Methode und Ergebnisse: Im Oktober 2023 kam es zur Vorstellung eines 16-jährigen Mannes mit seit vier Tagen bestehenden, isoliert linksseitigen Hodenschmerzen über die pädiatrische Notaufnahme. Unter dem Verdachtsbild einer Epididymitis erfolgte ein ambulant-konservatives Vorgehen mit Ibuprofen und lokalen Maßnahmen (Hochlagern und Kühlen des Skrotums). Die Migrationsanamnese ergab, dass der Patient als syrischer Flüchtling nach Deutschland gekommen ist. Bei ausbleibender Besserung und persistierenden linksseitigen Hodenschmerzen erfolgte eine Woche später die erstmalige urologische Vorstellung. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine Fieberfreiheit, eine deutliche Schwellung des linken Hodens und Nebenhodens mit palpatorischer Verhärtung und Druckdolenz. In der Sonographie zeigten sich mehrere intratestikuläre hypoechogene Areale mit einer Rarefizierung und Hypoperfusion des Hodenparenchyms bei insgesamt unauffälligem Urinstatus sowie normwertigen Hodentumormarkern bis auf eine leichte LDH-Erhöhung von 278 U/l und einer CRP-Erhöhung von 7,7 mg/dl (Norm: <0,5 mg/dl). Unter dem V.a. missed torsion und unklarem Sonographiebild erfolgte die inguinale Orchiektomie am Vorstellungstag. Im postoperativen Anschnitt des Hodens zeigte sich makroskopisch im kranialen Anteil das makroskopische Bild eines Tumors, im unteren Anteil trat Pus aus. Die abschließende Histologie zeigte das Bild einer eitrig abszedierenden, nekrotisierenden Epididymorchitis ohne weitere morphologische Zuordnung der Infektion. Die Entlassung erfolgte am dritten postoperativen Tag beschwerdefrei.

Sieben Tage später erfolgte die erneute Vorstellung mit stärksten Schmerzen und Schwellung des rechten Einzelhodens sowie begleitendem Fieber. Bei erneutem V.a. eine Entzündung, bei gegebener Perfusion, erfolgte die stationäre kalkulierte, parenterale antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam mit weiterer Eskalation auf Meronem bei initial fehlender klinischer Besserung. Die bei Aufnahme abgenommenen Blutkulturen erbrachten im weiteren Verlauf den Nachweis von Brucella melitensis als Erreger der Epididymorchitis. Die antibiotische Therapie wurde umgehend auf das empfohlene enterale Langzeitregime Doxycyclin und Rifampicin umgestellt. Die Schmerzsymptomatik besserte sich hierunter deutlich, das Fieber ging zurück, doch der Lokalbefund zeigte sonographisch auch in weiteren ambulanten Kontrollen eine weiter bestehende nicht mehr schmerzhafte Hodenschwellung, sodass zusätzlich Cotrimoxazol verordnet wurde.

Schlussfolgerung: Deutsche Rinder-, Schaf- und Ziegenbestände gelten amtlich als frei von Brucella melitensis. Die zunehmenden Migrationsbewegungen der letzten Jahre zwingen uns, unser differentialdiagnostisches Denken zu erweitern, sodass auch zuletzt nicht mehr endemische bakterielle Infektionskrankheiten bedacht werden, um diese frühzeitig zu behandeln.