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61. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e. V.

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e. V.

09.06. - 11.06.2021, digital

Succinat-dehydrogenase defizientes Nierenzellkarzinom – Case Report

Meeting Abstract

  • J. Henkes - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Homburg
  • R. Stöhr - Universitätsklinikum Erlangen, Pathologisches Institut
  • R. Bohle - Universitätsklinikum des Saarlandes, Institut für Allgemeine und Spezielle Pathologie, Homburg
  • O. Bartsch - MVZ der Universitätsmedizin Mainz GmbH
  • H. Rossmann - MVZ der Universitätsmedizin Mainz GmbH
  • P. Zeuschner - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Homburg
  • J. Heinzelbecker - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Homburg
  • M. Stöckle - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Homburg
  • A. Hartmann - Universitätsklinikum Erlangen, Pathologisches Institut
  • K. Junker - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Urologie und Kinderurologie, Homburg

Südwestdeutsche Gesellschaft für Urologie e.V.. 61. Jahrestagung der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie e.V.. sine loco [digital], 09.-11.06.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21swdgu17

doi: 10.3205/21swdgu17, urn:nbn:de:0183-21swdgu171

Published: June 8, 2021

© 2021 Henkes et al.
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Text

Einleitung: Succinatdehydrogenase (SDH)-defiziente Nierenzellkarzinome (NZK) werden seit 2016 als eigene Entität definiert und machen 0,05-2% aller Nierentumoren aus. Sie erfüllen zu 90% keine Malignitätskriterien, 10% hingegen weisen eine sarkomatoide Dedifferenzierung mit typischerweise exzessiver lymphogener Metastasierung auf. SDHB-defiziente-NZK treten im Rahmen eines autosomal-dominaten Erbgangs auf und sind bei 1/3 aller Patienten multifokal und bilateral, i.d.R. begleitet von extrarenalen Tumoren (Paragangliome, Phäochromozytome, gastrointestinale Stromatumore). 15% der betroffenen Patienten entwickeln SDHB-defiziente NZK. Goldstandard der Therapie ist die komplette Exzision, bei Metastasierung die systemische Therapie.

Methode: Ein 40-jähriger männlicher Patient wurde mit CT-graphisch gesichertem 10cm Nierentumor rechts zur operativen Therapie überwiesen. Er war ein Vierteljahr zuvor bereits wegen erstmaliger Makrohämaturie vorstellig gewesen, ohne Anhalt für Malignität. Die rechtsseitige Oberpolraumforderung wurde von drittgradiger Ektasie bei CT-grafisch vergrößerten Hiluslymphknoten und Lebermetastasen begleitet. Die Urinzytologie war negativ, in der Zystoskopie zeigte sich rechts eine aufgeworfene Schleimhaut. Bei Verdacht auf ein Urothelkarzinom erfolgte eine offene Nephroureterektomie rechts mit retroperitonealer Lymphadenektomie. Postoperativ wurde der Patient i.R. einer Studie mit Sunitinib behandelt. 6 Monate später musste die Therapie bei Rezidiv in der Nierenloge und neuem Lungenrundherd auf Nivolumab/Ipilimumab umgestellt werden.

Ergebnisse: Histologisch zeigte sich zunächst ein primäres NZK mit V.a. ein Sammelrohrkarzinom bzw. medulläres NZK. Immunhistochemische konsillarische Zusatzuntersuchungen ergaben anschließend die Diagnose eines sarkomatoid differenzierten, teils papillär konfigurierten SDHB-defizienten NZK mit fraglicher somatischer oder hereditärer Mutation (pT4, pN1 (14/19), L1, V1, Pn1, R1, G3). Aufgrund der ungewöhnlichen papillären Tumoranteile (bisher nur in SDHA-defizienten Tumoren beschrieben) erfolgte eine immunhistochemische Zusatzuntersuchung, in der sich ein Mosaikmuster für die SDHB-Expression sowohl bei den papillären als auch sarkomatoiden Komponenten zeigte, was für eine somatische Mutation sprechen könnte. Die molekularpathologische Zusatzuntersuchung zeigte in der somatischen SDHB-Sequenzierung allerdings keine deletäre SDHB-Mutation. Nach genetischer Beratung erbrachte die molekulargenetische Untersuchung der SDH Gene in Lymphozyten eine Splice Site Mutation des SDHB Exons 5 (Variante-unklarer-Signifikanz(VUS) c.424-5C>G) in heterozygoter Ausprägung, welche auch im Tumorgewebe detektiert worden war, jedoch zunächst als nicht signifikant für das Tumorgeschehen bewertet wurde.

Schlussfolgerung: SDHB-defiziente NZK sind eine äußerst seltene Tumorentität mit häufig wenig aggressivem Verlauf. Die hier beschriebene Kasuistik mit hoher Malignität und Metastasierung ist insofern sehr ungewöhnlich. Die Morphologie ist zudem atypisch, da neben der sarkomatoiden Komponente auch eine papilläre vorhanden ist. Die detektierte (VUS)c.424-55C>G Variante ist bisher nicht beschrieben worden, ist jedoch als Ursache einer vererbten Tumorerkrankung sehr wahrscheinlich. Dieser Fall verdeutlicht, dass bei jungem Erkrankungsalter immer eine molekularpathologische und humangenetische Abklärung erfolgen sollte.