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Auswirkungen häuslicher Gewalt auf familiengerichtliche Sorgerechtsentscheidungen
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Published: | May 6, 2016 |
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Gegenstand: Vorangehende Beziehungsgewalt wirkt sich negativ auf das Kindeswohl aus. Selbst ein Miterleben häuslicher Gewalt bahnt bei Kindern massive Beeinträchtigungen im emotionalen und Verhaltensbereich bis hin zu psychiatrisch behandlungsbedürftigen Auffälligkeiten. Wir untersuchen, inwieweit dies bei Sorgerechtsentscheidungen berücksichtigt wird.
Methodik: Zur Durchführung dieser Exploration wurde ein retrospektiver Online-Fragebogen entwickelt und von ehemaligen Betroffenen beantwortet.
Ergebnisse: Von den 136 Befragten (72% Frauen, 28% Männer) lebte 89% zum Zeitpunkt der Erhebung getrennt. Das Durchschnittsalter der Kinder war 7,9 Jahre. In 64,5% wurde um das alleinige Sorgerecht prozessiert, in 20,2% um das Aufenthaltsrecht. In 61,5% der Fälle kam es vor der Trennung fast ständig zur Androhung physischer Gewalt. Trotzdem hatte das Vorhandensein häuslicher Gewalt keinen Einfluss darauf, ob ein gerichtlicher Gutachter einberufen wurde (zweiseitiger Fischer-Test p = 0,30).
Diskussion: Gerichtliche Gutachter kommen wenig oder gar nicht zum Einsatz, wenn nur moderate häusliche Gewalt vorliegt. Insgesamt kam es trotz häuslicher Gewalt nur in der Hälfte der Fälle zu einem Sachverständigenverfahren. Nach dem Motto „Ohne Elternwohl kein Kindeswohl“ sollte zur Vermeidung sozialmedizinischer Pathologie ein vermehrtes Augenmerk auf stattgehabte und potentiell fortbestehende häusliche Gewalt gerichtet sein.
Fazit: Das Vorkommen häusliche Gewalt hatte in der vorliegenden Studie keinen signifikanten Einfluss darauf, ob ein Gutachter zum Einsatz kommt. Zukünftige prospektive Untersuchungen sollten diese problematische Beobachtung re-evaluieren.