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Annual Meeting of the Society of the Ophthalmologists of Saxony 2019

Sächsische Augenärztliche Gesellschaft

29. - 30.11.2019, Leipzig

Zerebral bedingte Sehstörungen im frühen Kindesalter

Meeting Abstract

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  • Helmut Tegetmeyer - Leipzig

Sächsische Augenärztliche Gesellschaft. Jahrestagung 2019 der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft. Leipzig, 29.-30.11.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc19sag10

doi: 10.3205/19sag10, urn:nbn:de:0183-19sag100

Published: February 27, 2020

© 2020 Tegetmeyer.
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Einleitung: Als zerebral bedingte Sehstörungen werden Funktionsstörungen des visuellen Systems durch Schädigung postchiasmatischer Strukturen bezeichnet. Ursachen sind Hirnschädigungen beliebiger Ätiologie. In entwickelten Ländern sind sie häufigster Grund für Sehstörungen im Kindesalter und können bei schwerer Ausprägung bis zur Blindheit führen.

Diagnostik: Vor Diagnose einer zerebral bedingten Sehstörung sind peripher bedingte Sehstörungen (z.B. Optikusläsionen, Retinopathien, Medientrübungen) oder eine kongenitale okulomotorische Apraxie mit Hilfe einer kompletten ophthalmologischen und neuroophthalmologischen Untersuchung auszuschließen. Das Auftreten eines frühkindlichen Nystagmus, eine eingeschränkte Pupillenreaktion und das okulodigitale Phänomen sprechen gegen eine zerebrale Ursache.

Pathogenese: Fehlbildungen des Gehirns, die Frühgeborenen-Enzephalopathie und die perinatale Hypoxämie stellen häufige Ursachen der zur Sehstörung führenden Hirnschädigung dar. Bei unreifen Frühgeborenen (Schwangerschaftsdauer unter 32 Wochen) ist die Myelinisierung der Leitungsbahnen des Gehirns verzögert und reduziert. Häufig entwickelt sich eine periventrikuläre Leukomalazie, die auch die dorsalen assoziativen Bahnen der visuellen Informationsverarbeitung betrifft. Diese Schädigungen lassen sich mit Hilfe bildgebender Verfahren (MRT-Traktographie) nachweisen.

Befunde: Außer Einschränkungen von Visus, Kontrastsehen und Gesichtsfeld zeigt sich eine gestörte Verarbeitung visueller Informationen in Form von gestörter räumlicher Orientierung, gestörter Objekterkennung, Fixationsstörung und gestörtem Bewegungssehen. Typische Gesichtsfeldausfälle sind bilaterale Einschränkungen im Bereich beider unterer Quadranten. Die Einschränkung des Feldes der visuellen Aufmerksamkeit kann bis zu einer BALINT-Symptomatik mit Simultanagnosie, fehlender visueller Exploration und optischer Ataxie führen. Eine Schädigung der dorsalen assoziativen Bahnen äußert sich bei der überwiegenden Zahl der Patienten in motorischen und kognitiven Einschränkungen sowie einer globalen Entwicklungsstörung. In der Folge lassen sich Störungen der visuellen Aufmerksamkeit, der Erfassung komplexer Szenen, der visuell gesteuerten Bewegungen, des gezielten Greifens und des Bewegungssehens erkennen. Frühe Fixationsstörungen und ein gestörtes Bewegungssehen korrelieren mit einer späteren Beeinträchtigung der visuomotorischen Entwicklung, der nonverbalen sowie der mathematischen kognitiven Leistungen.

Schlussfolgerung: Bei Verdacht auf eine zerebral bedingte Sehstörung ist eine frühzeitige neuropädiatrische Diagnostik zur Abklärung von Hirnschädigungen und zur Einleitung geeigneter Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich.