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Annual Meeting of the Society of the Ophthalmologists of Saxony 2014

Sächsische Augenärztliche Gesellschaft

28.11. - 29.11.2014, Dresden

Schießscheibenmakulopathie bei einem 6-Jährigen – diagnostische und psychologische Aspekte

Meeting Abstract

  • Claudia Bau - Universitäts-Augenklinik, Dresden
  • N. Di Donato - Institut für klinische Genetik, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden
  • I. Schmidt - Sozialpädiatrisches Zentrum, Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden
  • M. von der Hagen - Abteilung Neuropädiatrie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden

Sächsische Augenärztliche Gesellschaft. Jahrestagung 2014 der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft. Dresden, 28.-29.11.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14sag24

doi: 10.3205/14sag24, urn:nbn:de:0183-14sag249

Published: November 26, 2014

© 2014 Bau et al.
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Text

Hintergrund: Netzhautdystrophien können sowohl hereditär und isoliert als auch im Rahmen von Systemerkrankungen, vorwiegend hereditären Speicherkrankheiten auftreten.

Methoden: Fallvorstellung

Ergebnisse: Ein 6-jähriger Erstklässler wurde aufgrund einer subakuten Visusminderung und Schießscheibenmakulopathie vorgestellt. Die Sehminderung war den Eltern im Alltag außer bei Leseanforderungen wenig aufgefallen. Die differentialdiagnostischen Überlegungen umfassten Systemerkrankungen (insbesondere das Vorliegen einer juvenilen Neuronalen Lipofuszinose, NCL3) und hereditäre Netzhautdystrophien. Trotz vorsichtiger und sehr behutsamer Aufklärung der Eltern lösten sowohl die Augenerkrankung und deren Prognose an sich als auch die Möglichkeit einer zugrundeliegenden hereditären Systemerkrankung eine erhebliche psychische Stressreaktion insbesondere bei der im 2. Trimenon schwangeren Kindesmutter aus. Eine Rolle in der Krankheitsverarbeitung spielte dabei auch die Möglichkeit, im Internet ungefiltert an Informationen zu kommen. In der zügig veranlassten interdisziplinären Diagnostik konnten verdächtige Systemerkrankungen, insbesondere die juvenile NCL ausgeschlossen werden. Die genetische Diagnostik mittels Hochdurchsatzsequenzierung (Panel-Diagnostik) stellte die Diagnose eines M. Stargardt Typ 1 [OMIM 248200; zwei Mutationen im ABCA4-Gen: NM_000350.2 (ABCA4): c.[2894A>G];[5603A>T] p.[(Asn965Ser)] ;[(Asn1868Ile)]. Die elterliche Analyse konnte eine Compound–Heterozygotie bestätigen. Somit konnte zwischen M. Stargardt sowie anderen prognostisch wesentlich ungünstigeren Formen der Netzhautdystrophien bereits in der Anfangsphase differenziert werden. Eltern und Kind, vorwiegend die Mutter wurden während der Diagnostikphase bis zur Geburt des Geschwisterkindes psychologisch betreut und sind stabil. Der Junge ist mit vergrößernden Sehhilfen versorgt und wird integrativ an seiner bisherigen Grundschule weiter beschult. Die Eltern sind Mitglied bei Pro Retina geworden. Ob das Geschwisterkind betroffen ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.

Schlussfolgerungen: Eine zügige interdisziplinäre Diagnostik und Diagnosesicherung ist auch in Fällen fehlender therapeutischer Konsequenz anzustreben. Insbesondere beim Zeitfaktor ist die potentielle Verfügbarkeit aller möglichen Informationen über das Internet für die Patienten zu bedenken, die zu Verunsicherung führen kann. Eine professionelle psychologische Betreuung kann sehr hilfreich sein, wenn die Krankheits- und Diagnostikbewältigung für die Familie allein schwierig erscheint.