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19. Internationales SkillsLab Symposium 2025

19.03. - 21.03.2025, Munich

Versorgung von tauben Menschen: Interprofessionelle Lehre zwischen Medizinstudierenden und Studierenden im MA Dolmetschen und Übersetzen für Deutsche Gebärdensprache in Berlin

Meeting Abstract

  • corresponding author Benjamin Tarnowski - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Lernzentrum – Skills Lab, Berlin, Deutschland
  • Niklas Julian Dohle - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Lernzentrum – Skills Lab, Berlin, Deutschland
  • Christian Peters - Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften, Berlin, Deutschland
  • Antonia Grau - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Lernzentrum – Skills Lab, Berlin, Deutschland
  • Dorothea Penders - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Lernzentrum – Skills Lab, Berlin, Deutschland

19. Internationales SkillsLab Symposium 2025. München, 19.-21.03.2025. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2025. Doc25isls68

doi: 10.3205/25isls68, urn:nbn:de:0183-25isls682

Published: June 4, 2025

© 2025 Tarnowski et al.
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Hintergrund & Motivation: Einer von eintausend Menschen in Deutschland ist nach aktuellen Schätzungen taub [1]. Die Beratung und Behandlung von tauben Menschen kann Mediziner*innen dabei vor eine besondere kommunikative Herausforderung stellen. Häufig ist für eine barrierefreie Versorgung eine dolmetschende Person nötig. Die Zusammenarbeit mit Dolmetschenden wird dabei im Medizinstudium kaum thematisiert, während der medizinische Kontext für Dolmetschende ungewohnt ist. Das hier vorgestellte Joint-Lehrprojekt im Lernzentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin nutzt ein interprofessionelles Tutorium, um Studierende der Humanmedizin und des Studiengangs „Dolmetschen und Übersetzen für Deutsche Gebärdensprache“ der Humboldt-Universität zu Berlin in realitätsnahen Szenarien gemeinsam auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Ziel ist es, kommunikative Kompetenzen und gegenseitiges Verständnis für die beruflichen Rollen zu fördern.

Beschreibung des Projekts: Im Rahmen des Projekts absolvieren Medizinstudierende der Charité – Universitätsmedizin Berlin gemeinsam mit Studierenden des Dolmetschens für Deutsche Gebärdensprache Szenarien zu allgemeinmedizinischen Konsultationsanlässen, wie beispielsweise akute Harnwegsinfekte oder depressive Episoden. Ein tauber Schauspielpatient agiert als zentrale*r Gesprächspartner*in, während je eine*r der Medizinstudierenden die ärztliche Rolle übernimmt und je ein*e der Dolmetschstudierenden vermittelt. Beide Gruppen erhalten keine Vorabinformationen.

Während der Interaktion liegt der Fokus:

1.
Für Medizinstudierende: auf dem adäquaten Umgang mit tauben Patient*innen und Dolmetschenden und der korrekten medizinischem Behandlung.
2.
Für Dolmetschstudierende: auf der präzisen Übersetzung medizinischer Inhalte und der Navigation komplexer Gespräche.
3.
Für beide Gruppen: auf der Entwicklung interprofessioneller Kompetenzen und der Sensibilisierung für die Herausforderungen in der medizinischen Versorgung tauber Menschen.

Im Anschluss findet eine Nachbesprechung in den jeweiligen fachspezifischen Gruppen (Gebärdensprach- bzw. Medizinstudierende) und danach in einer großen interprofessionellen Gruppe statt. Dabei wird auf medizinisch-fachliche Aspekte, die besonderen Bedingungen der Dolmetsch-Situation und die eigene emotionale Reaktion auf diese eingegangen. Im Anschluss können im interprofessionellen Austausch Fragen erörtert oder auf die Lebensrealität und Versorgungssituation von tauben Menschen eingegangen werden.

Kritische Reflexion: In der Evaluation wurde deutlich, dass die Studierenden ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von Nachfragen, Verschriftlichung und dem Ansprechen von Unsicherheiten entwickelten, wobei sie die Wichtigkeit von Empathie, korrektem Auftreten und interprofessionellen Austausch besonders hervorhoben. Zugleich äußerten sie den Wunsch nach einer höheren Frequenz der Tutorien, einer optimierten Zeitplanung, alternativen Simulationen außerhalb hausärztlicher Kontexte sowie einem noch stärkeren interprofessionellen Austausch.

Auch die Tutor*innen hoben den Austausch zwischen den Fällen als besonders wichtig für den Lernerfolg hervor, da hier Fallstricke und Lösungsansätze zur Versorgung tauber Menschen erörtert wurden. Gleichzeitig erschwerte die komplexe Terminplanung aufgrund der Einbindung mehrerer Studiengänge und Universitäten eine höhere Frequenz und Kapazität der Tutorien. Diese Rückmeldungen verdeutlichen einerseits den Erfolg des Formats, machen andererseits aber strukturelle Herausforderungen sichtbar.

Ausblick: Das Projekt verdeutlicht die Relevanz interprofessionellen Lernens in Skillslabs und bietet eine Möglichkeit, die Versorgung von tauben Menschen in einem niederschwelligen interprofessionellen Kontext zu erproben. Eine Erweiterung auf Konsultationsanlässe in Facharztpraxen, um den Schwierigkeitsgrad für höhere Semester zu erhöhen, wird aktuell diskutiert. Langfristig könnte das Konzept einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität tauber Menschen leisten und die professionelle Zusammenarbeit von des Gebärdensprachdolmetschenden und Ärzt*innen fördern.


Literatur

1.
Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. Stellungnahme 06/2019. Berlin: Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.; 2019. Zugänglich unter/available from: https://dglb.de/wp-content/uploads/2024/01/dgb_06_2019_Stellungnahme.pdf External link