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6. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin (ifam), UKD, Düsseldorf

11. Mai 2022, Düsseldorf

Physician Assistant (PA) als Teil des familienorientierten Teams in der Primärversorgung

Meeting Abstract

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  • Bernhard Hemming - Fliedner Fachhochschule, Düsseldorf; Praxis für Familienmedizin, Duisburg
  • Almut Hemming - Praxis für Familienmedizin, Duisburg

Institut für Allgemeinmedizin (ifam), UKD, Düsseldorf. 6. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Düsseldorf, 11.-11.05.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22ifam06

doi: 10.3205/22ifam06, urn:nbn:de:0183-22ifam066

Published: April 22, 2022

© 2022 Hemming et al.
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Physician Assistants (PA) sind klassische Team Player. Sie sind in der Lage ärztliche Prozesse im delegationsfähigen Rahmen zu übernehmen. In ihrer akademischen Ausbildung ist das zentrale Element die Einschätzung ihrer Übernahmeverantwortung, also das Erkennen von Red Flags, an denen die ärztlichen Kolleg:innen hinzugezogen werden müssen [1]. Das bedeutet, ein:e PA kennt ihre Grenzen und weiß dann aber, was zu tun ist. Diese Fähigkeit, die Begrenztheit des eigenen Tuns zu erkennen und an dieser Schnittstelle andere Akteure hinzuzuziehen, bezieht sich ausdrücklich auch auf andere Professionen. Dieser Interprofessionelle Teamansatz wird seit mehr als 40 Jahren in Teams der familienorientierten Primärversorgung in den USA erfolgreich eingesetzt [2].

Familienorientiertes Arbeiten in der Primärversorgung ist hochkomplex. Wir stoßen dabei täglich an unsere Grenzen, die aber ganz überwiegend nicht im medizinischen, sondern im psychosozialen Bereich liegen. Gerade hier ist es wichtig neben der medizinischen Expertise ein gutes Gespür dafür zu haben, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt welche anderen Professionen hinzugezogen werden können. In der Regel haben PA in der Praxis dafür mehr Zeit und sind auch im Gegensatz zum ärztlichen Personal für das Erkennen und die strukturierte Kontaktaufnahme ausgebildet.

Aber auch qualitativ verändert sich mit der Aufnahme einer PA das Praxisteam. Durch die Übernahme von Routineprozessen in der Delegation entsteht für die medizinischen Fachangestellten ein:e neue:r Ansprechpartner:in, die ebenfalls ihre Fragen beantworten kann. Auch für die Patient:innen entsteht eine neue Ansprechpartner:in mit hohem medizinischen Sachverstand und in der Regel mehr Zeit für sie als von ärztlicher Seite, die sich bei dieser im Zweifelsfall aber immer rückversichern kann. Gerade in der langjährigen Betreuung von Familien, in der vielfältige Transformationsprozesse stattfinden, aber auch immer wieder konfliktbeladene Situationen entstehen, können so, innerhalb einer Praxis, die Beziehungsstrukturen gewechselt, beziehungsweise auf mehrere Schultern verteilt werden, während die gesamte medizinische Verantwortung bei dem Arzt/der Ärztin bleibt. Durch diese Einführung einer dritten Hierarchieebene brechen so traditionelle patriarchalische Strukturen auf, Kommunikation auf Augenhöhe kann schnell und selbstverständlich entstehen. Shared Decision Making und die flexible Betreuung von Patchworkfamilien können so zeitgemäß sichergestellt werden.

Auch in der Analogie des Praxisteams als Praxisfamilie wird eine weitere Rolle ausgefüllt [3]. In einer Familie wird die Position fast alles zu können, aber eben nicht selbst entscheiden zu dürfen, typischerweise Jugendlichen zugeschrieben. Es ist daher durchaus denkbar, dass durch die Einbindung eines PA in die Praxis sich die Ansprechbarkeit speziell für jugendliche Patient:innen, die bisher weder beim Kinderarzt noch beim Hausarzt ihren Platz haben, verbessert. Dies wäre eine hervorragende Chance die Versorgung auch dieser wichtigen Altersgruppe sicherzustellen, in der die Grundsteine für eine gute Gesundheitskompetenz gelegt werden.

Gerade auch in kleineren familienorientiert arbeitenden Teams in der Primärversorgung sind PA ideale Teammitglieder. Sie übernehmen die ärztlichen Prozesse im delegationsfähigen Rahmen mit dem Ziel die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu erkennen, um dann gemeinsam (auch online) im interprofessionellen Team die Patient:innen weiter zu betreuen. Sie übernehmen aber auch gerade in diesem familienmedizinischen Kontext die Verantwortung in der Beziehung zu den einzelnen Mitgliedern einer Familie und sind auch da in der Lage, unter einem Dach im interprofessionellen Team sinnhaft zusammenzuarbeiten.


Literatur

1.
Hüttl P, Heberer J. Physician Assistants – eine juristische Einschätzung. Passion Chirurgie. 2021 März;11(03):Artikel 03_02.
2.
Kurtzman E, Barnow B. A Comparison of Nurse Practitioners, Physician Assistants, and Primary Care Physicians’ Patterns of Practice and Quality of Care in Health Centers. Medical Care. June 2017;55(6):615-622.
3.
Hemming B, Hemming A. Fluch oder Segen? Wenn der Hausarzt die ganze Familie betreut. In: 51. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Düsseldorf, 21.-23.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17degam002. DOI: 10.3205/17degam002 External link