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Die Poliklinik Veddel – Erfahrungen aus einem stadtteilorientierten Primärversorgungszentrum mit einem besonderen Blick auf familienmedizinische Belange
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Published: | April 22, 2022 |
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In Deutschland bestehen ausgeprägte soziale Unterschiede in Gesundheit und Krankheit. Diese gesundheitlichen Unterschiede manifestieren sich auch sozialräumlich. Einer der ärmsten Stadtteile Hamburgs ist die Veddel. Deren Einwohner*innen sind mit vielfältigen sozialen Problemen wie prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Diskriminierungserfahrungen oder beengtem Wohnraum konfrontiert. Gleichzeitig findet sich eine überdurchschnittliche Betroffenheit an gesundheitlichen Problemen und chronischen Erkrankungen. Bei einem jungen Altersdurchschnitt kommen zudem hohe Prävalenzen chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter hinzu [1].
Soziale Probleme beeinflussen die Gesundheit und spielen für einen Teil der Konsultationsanlässe in Hausarztpraxen eine implizite oder auch explizite Rolle [2]. Die Begegnung dieser Probleme kann die Möglichkeiten einer Hausarztpraxis übersteigen und erfordert die Expertise nicht-medizinischer Berufsgruppen. In der Praxis ist das ambulante Versorgungssystem in der Regel nicht für eine derartige interprofessionelle Versorgung ausgerichtet und es bestehen sozialrechtliche Grenzen.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen allerdings, dass eine Ausrichtung der Primärversorgung an den sich gegenseitig beeinflussenden psychosozialen und medizinischen Bedarfen auf lokaler Ebene grundsätzlich möglich ist und erfolgreich betrieben werden kann [3].
In Hamburg hat sich die Poliklinik Veddel zum Ziel gesetzt, ein an dem lokalen Bedarf orientiertes Stadtteilgesundheitszentrum aufzubauen. Dieses besteht seit dem Jahr 2017 und umfasst mittlerweile eine offene Gesundheits- und Sozialberatung, eine psychologische Sprechstunde, eine Familienberatung, eine Hebammenpraxis und eine Hausarztpraxis sowie eine an Gesundheitsförderung und Prävention orientierte Gemeinwesenarbeit. Ausgehend von den bisher gemachten praktischen Erfahrungen und einer Auswertung der interprofessionell versorgten Behandlungsanlässe (Routinedatenanalyse) mit einem besonderen Fokus auf familienmedizinische Belange sollen die Chancen und Herausforderungen für die Umsetzung interprofessioneller Primärversorgungszentren in Deutschland diskutiert werden.
Literatur
- 1.
- Erhart M, Schulz M, Hering R, Graf von Stillfried D. Morbiditätsatlas Hamburg – Gutachten zum kleinräumigen Versorgungsbedarf in Hamburg. Berlin: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland; 2013.
- 2.
- Zimmermann T, Mews C, Kloppe T, Tetzlaff B, Hadwiger M, von dem Knesebeck O, Scherer M. Soziale Probleme in der hausärztlichen Versorgung – Häufigkeit, Reaktionen, Handlungsoptionen und erwünschter Unterstützungsbedarf aus der Sicht von Hausärztinnen und Hausärzten. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 2018;(131-132):81-9.
- 3.
- Schaeffer D, Hämel K, Ewers M. Versorgungsmodelle für strukturschwache und ländliche Regionen. Erfahrungen aus Finnland und Kanada. Weinheim und München: Beltz Juventa; 2015.