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7. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

11. November 2023, Witten

Die Erfahrung von Arztkindern mit der medizinischen Behandlung durch ihre Eltern – eine qualitative Interviewstudie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Annabel Zemke - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Christine Kersting - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Vera Kalitzkus - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • Stefan Wilm - Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • Achim Mortsiefer - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke. 7. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Witten, 11.-11.11.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23iamag06

doi: 10.3205/23iamag06, urn:nbn:de:0183-23iamag064

Published: November 8, 2023

© 2023 Zemke et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland gibt es keine offiziellen Handlungsempfehlungen für die ärztliche Behandlung eigener Angehöriger, obwohl sich dieser Problematik kaum ein Arzt/eine Ärztin entziehen kann. Aus empirischen Studien geht hervor, dass die Behandlung eigener Angehöriger mit vielschichtigen ethischen Problemen verbunden ist. Dies trifft auch auf Arztkinder zu, die sehr häufig durch ihre Eltern behandelt werden. Über die Sichtweise von Kindern auf die ärztliche Behandlung durch ihre Eltern ist bislang wenig bekannt.

Fragestellung: Ziel dieser Arbeit ist es, die wissenschaftliche und ethische Diskussion über die ärztliche Behandlung eigener Angehöriger um die Perspektive der Arztkinder als Patient:innen zu erweitern.

Methoden: Es wurden 13 leitfadengestützte Einzelinterviews unter jungen Erwachsenen, deren Mutter und/oder Vater Ärztin/Arzt war oder ist, geführt. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und zwecks Analyse transkribiert. Es erfolgte eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz in MAXQDA, die durch offene Kodier- und Validierungssitzungen in einem Expertenkollektiv begleitet wurde.

Ergebnisse: Oft wurde über eine informelle Behandlung außerhalb der Versorgungsstrukturen berichtet mit positiven (ständige Verfügbarkeit) und negativen (unvollständige Behandlung) Aspekten. Häufig fühlten sich die Befragten im Umgang mit der eigenen Erkrankung nicht ernst genommen, empfanden aber gleichzeitig durch die Vertrautheit zu den Eltern ein Gefühl der Sicherheit.

Diskussion: Aus den Interviews werden Rollenkonflikte (Patient*in vs. Kind) bei Arztkindern deutlich. Dies kann dazu führen, dass die kritische Haltung eines „mündigen Patienten“ mit dem Bedürfnis, die elterliche Autorität und das Vertrauen in ihre Expertise nicht anzutasten, kollidiert. Der Umgang mit Krankheitsfällen wird oft bagatellisierend oder auch „medizinisch-sachgerecht“ geschildert, was auf eine Unterversorgung der Arztkinder hinsichtlich emotionaler Zuwendung hindeuten könnte.

Take Home Message für die Praxis: Die elterliche ärztliche Behandlung bietet für die Arztkinder zwar praktische Vorteile, bedeutet jedoch ein Risiko für geringere elterliche emotionale Zuwendung sowie für eine schwierigere Entwicklung einer mündigen Patient*innenrolle.