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7. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

11. November 2023, Witten

Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland? Status quo, hemmende und fördernde Faktoren

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Frauke Heinrichs - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Christine Kersting - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Eva Münster - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke
  • Klaus Weckbecker - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke

Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag), Universität Witten/Herdecke. 7. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Witten, 11.-11.11.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23iamag03

doi: 10.3205/23iamag03, urn:nbn:de:0183-23iamag036

Published: November 8, 2023

© 2023 Heinrichs et al.
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Text

Hintergrund: Laut statistischem Bundesamt sind 61.000 Menschen in Deutschland nicht krankenversichert [1]. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an Menschen ohne Papiere und/oder Aufenthaltsstatus, die 2014 laut Schätzungen bei 180.000–500.000 lag [2].

Keine Krankenversicherung zu besitzen kann für die betroffenen Menschen, die akut oder chronisch erkranken, hoch problematisch sein. Studien berichten, dass chronische Erkrankungen begünstigt werden und die psychische Belastung bei den Betroffenen hoch sei [3].

Zielsetzung/Fragestellung: Ziel dieser Arbeit ist es, die subjektiv empfundenen Faktoren einzufangen, die zu einer Lebenssituation ohne Krankenversicherung geführt haben. Es wird angenommen, dass eine Krankenversicherung ein wichtiger Faktor für eine niedrigschwellige und funktionierende Gesundheitsversorgung in Deutschland darstellt. Erkenntnisse über die genannten Faktoren können dazu beitragen, die Versorgung spezifischer zu verbessern. Die Forschungsfragen lauten:

1.
Wie sind die Personen bisher mit ihrer Situation, ohne Krankenversicherung in Deutschland zu leben, umgegangen?
2.
Welche Faktoren haben zu einer Lebenssituation ohne geregelte Krankenversicherung geführt?
3.
Was für Hindernissen begegnen die Menschen, wenn sie ihre Situation verändern wollen?
4.
Welche Maßnahmen sind notwendig, um die aktuelle Lebenssituation zu verändern, sollte dies gewünscht sein?

Methoden: Zunächst wurde eine Literaturrecherche durchgeführt. Im Anschluss wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, anhand dessen 10 leitfadengestützten Interviews mit unversicherten Menschen durchgeführt wurden. Nach der Transkription erfolgten eine Kategorisierung und Auswertung der gemeinsamen Themen. Das Einreichen der Studie ist für Ende 2023 geplant.

Ergebnisse: Die betroffenen Personen berichteten von einer hohen psychischen Belastung durch ihre fehlende Krankenversicherung. Die Kontakte zu Hilfsorganisationen, Freund*innen, aber auch staatlichen Institutionen wie dem Sozialamt und Anwält*innen sind wichtig, um die eigene Versicherungssituation zu verändern. Hindernisse sich zu versichern sind vor allem fehlendes Wissen, ein Leben in Illegalität aufgrund fehlender Papiere und eine Ablehnung bei den Krankenkassen. Alle Personen wünschten sich eine Krankenversicherung.

Diskussion: Weitere Forschungsprojekte, bspw. Befragungen der bestehenden Versorgungsnetzwerke, könnten den Bedarf spezifizieren. Es wäre wünschenswert, wenn bestehende Konzepte mehr Anwendung fänden. Der Zugang zu Informationen zu der Thematik muss auf diversen Kanälen verbessert werden.

Take Home Message: Die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung ist unzureichend und bedarf der Entwicklung von Lösungskonzepten, die nachhaltig wirken und sich am Bedarf der Betroffenen orientieren.


Literatur

1.
Destatis. Weniger Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. [Zugriff 15.12.2020]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_365_23.html External link
2.
Vogel D. Kurzdossier: Umfang und Entwicklung der Zahl der Papierlosen in Deutschland. Fachbereich 12. Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung. AbIB-Arbeitspapier 2/2016. 2016.
3.
Ärzte der Welt. Gesundheitsreport 2019.