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Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft. Wissenschaftlicher Kongress zur Positionsbestimmung der Familienmedizin in Deutschland.

Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke

11.11.2011, Witten

Häusliche Altenpflege zwischen Legalität und Illegalität – dargestellt am Beispiel polnischer Migranten/innen in deutschen Privathaushalten (erste Ergebnisse einer explorativen Studie im Rahmen einer Promotion)

Meeting Abstract

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  • Helene Ignatzi - Technische Universität Dortmund, Fakultät Erziehungswissenschaften und Soziologie, Dortmund

Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft. Wissenschaftlicher Kongress zur Positionsbestimmung der Familienmedizin in Deutschland. Witten, 11.-11.11.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11iaf11

doi: 10.3205/11iaf11, urn:nbn:de:0183-11iaf111

Published: November 8, 2011

© 2011 Ignatzi.
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Der demografische Wandel stellt die Gesellschaft und die Politik vor neue Aufgaben. Der stetig wachsende Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung, die wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen, insbesondere Demenzkranker und Hochaltriger, stellt die Sozialpolitik und die Leistungsanbieter vor eine neue Herausforderung.

Im Jahr 2009 lebten 2,34 Millionen Pflegebedürftige, im Sinne des SGB XI in Deutschland. Der Großteil von ihnen, ca. 69% oder 1,62 Millionen wurde zu Hause von ihren Angehörigen mit und ohne Unterstützung von ambulanten Pflegediensten und anderen haushaltsnahen Leistungsanbieter versorgt ([1]). Die häusliche Pflege wird vorwiegend von Töchtern und Schwiegertöchtern übernommen, die aber immer seltener, aufgrund anderer Verpflichtungen, wie der eigenen Erwerbstätigkeit und Familie oder der geografischen Entfernung vom Haushalt des pflegebedürftigen Elternteils, zur Verfügung stehen. Wird eine Demenz bei einem Menschen diagnostiziert, erhöht sich der betreuerische und pflegerische Aufwand ernorm, sodass allein lebende Ältere ihr Zuhause, oft gegen ihren Wunsch, verlassen und in ein Pflegeheim umziehen müssen, da keine adäquaten Versorgungsstrukturen im häuslichen Bereich vorhanden sind und eine 24-Stunden-Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst für die meisten Pflegebedürftigen kaum bezahlbar ist. Um diese „Versorgungslücke“ zu schließen, entscheiden sich immer mehr Familien mit einem Pflegebedürftigen für die Beschäftigung von osteuropäischen „Haushaltshilfen“. Diese wohnen in der Regel im Haushalt der Pflegebedürftigen und übernehmen neben der hauswirtschaftlichen auch die pflegerische Versorgung und Betreuung gemäß SGB XI. Die Entscheidung der Familien für diese Option ist in der Attraktivität dieses Dienstes zu begründen, die sich in der Flexibilität, dauernder Verfügbarkeit der Arbeitskräfte und in der Finanzierbarkeit der Leistung widerspiegeln und von den verfügbaren Dienstleistern nicht im ausreichenden Maße angeboten werden. Die Migrant/innen aus den osteuropäischen Ländern werden meistens illegal, bzw. irregulär beschäftigt.

Diese Entwicklung sorgt seit einigen Jahren für Debatten und offene Konkurrenz zwischen dem existierenden Netz an ambulanten und stationären Einrichtungen und der irregulären Pflegearbeit. Diese wird, aufgrund der wachsenden Pflegebedarfe, seitens der Politik stillschweigend geduldet und führt dazu, dass die Arbeit in Privathaushalten mithilfe von Netzwerken an der deutschen Migrationspolitik vorbei organisiert wird.

Ziele und Inhalte der Untersuchung: Ziel des Forschungsvorhabens ist die Analyse der Lebenssituation von illegal und legal tätigen polnischen Migranten/innen in der Pflege älterer Menschen in deutschen Privathaushalten und die daraus resultierenden sozialpolitisch relevanten Risiken und Folgen. Die Grundlage für diese Untersuchung bieten qualitative Interviews mit zwanzig polnischen Migrantinnen. Die Analyse der Lebenssituation der regulären und irregulären Arbeitskräfte orientiert sich am Lebenslageansatz, unter Berücksichtigung ausgewählter Lebenslagendimensionen.

Die ersten Ergebnisse der Untersuchung geben Auskunft über die soziodemografische Merkmale der polnischen Migrantinnen, ihre Motivlagen, die verschiedenen Beschäftigungsmodelle und Arten der Tätigkeit, die Beziehung zu Pflegebedürftigen und deren Familien, Wohnsituation, Freizeitverhalten, soziale Kontakte, Chancen und Grenzen der 24-Stunden Betreuung sowie ihre Lebensperspektiven.


Literatur

1.
Statistisches Bundesamt Deutschland. Pressemitteilung Nr. 070 vom 21.02.2011. Available from: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2011/02/PD11__070__224,temp lateId=renderPrint.psml. (Zugriff am: 19.10.2011, 18.15 Uhr). External link
2.
Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip). Bericht über das Projekt: "Situation und Bedarfe von Familien mit mittel- und osteuropäischen Haushaltshilfen (moH)". Köln; 2009.
3.
von Kondratowitz HJ. Die Beschäftigung von Migranten/innen in der Pflege. Z Gerontol Geriat. 2005;38:417-23.
4.
Larsen C, Joost A, Heid S. Illegale Beschäftigung in Europa Die Situation in Privathaushalten älterer Personen. München: Rainer Hampp Verlag; 2009.
5.
Metz-Göckel S, Münst AS, Kalwa D. Migration als Ressource. Zur Pendelmigration polnischer Frauen in Privathaushalte der Bundesrepublik. Opladen & Farmington Hills, MI: Verlag Barbara Budrich; 2010.
6.
Scheiwe K, Krawietz J. Transnationale Sorgearbeit. Rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Praxis. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag; 2010.