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Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) – eine Retrospektive
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Published: | March 30, 2016 |
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Im klinischen Alltag zeigen sich heterogene Fallkonstellationen bzgl. einer AVWS Diagnostik, die veranlassten, Patienten die sich zw. 2007 und 15 zur Diagnostik vorstellten, retrospektiv zu untersuchen.
447 Patienten erhielten eine ausführliche audiolog. sowie psychol. Diagnostik. Differentialdiagnostisch zur AVWS sind u.a. Hörstörungen, unterdurchschnittliche Begabung sowie Störungen des Sprachverständnisses, der Aufmerksamkeit und der modalitätsübergreifenden Merkfähigkeit auszuschließen. 292 Patienten erfüllten die Studienaufnahmevoraussetzung einer Normintelligenz. Das Durchschnittsalter betrug 5;8 Jahre (SD 1,3).
61% der Patienten wurden mit V.a. AVWS vorgestellt. 13,1% der Patienten erhielten von uns eine AVWS Diagnose, 26,0% zeigten Schwächen in der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung. Bei nachträglicher Sichtung der Daten unter ausschließlicher Berücksichtigung der AWMF Leitlinie (Ergebnisse in zwei Verfahren mind.2 SD<Norm) hätten 7,2% der Patienten die AVWS Diagnose erhalten. Die Symptomatik von 76,2% dieser Patienten wäre aber differentialdiagnostisch zu erklären gewesen. Damit hätten nur 1,7% der Patienten den Diagnosekriterien der Leitlinie genügt.
Es ist unabdingbar, dass bei Kindern mit V.a. AVWS eine umfassende pädaudiolog. und psychol. Diagnostik durchgeführt wird. Hierbei muss insbesondere die Kognition, das Sprachverständnis, die Aufmerksamkeit sowie die modalitätsübergreifende Merkfähigkeit untersucht und in den Gesamtkontext gesetzt werden, da es ansonsten zu einer Überschätzung der Diagnose kommen kann. Eine strikte Diagnostik nach den Anforderungen der Leitlinie kann unserer Erfahrung nach dagegen zu einer Unterschätzung führen. Für die Diagnosestellung sind außerdem Anamnese, Verhaltensbeobachtung und Interpretation der Schwierigkeiten relevant.
Der Erstautor gibt keinen Interessenkonflikt an.