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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Commercial Determinants of Health – ein unsichtbares Forschungsfeld in Deutschland?

Meeting Abstract

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  • Kerstin Sell - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany; Pettenkofer School of Public Health, München, Germany
  • Stefanie Nigg - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany; Pettenkofer School of Public Health, München, Germany
  • Eva Rehfuess - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany; Pettenkofer School of Public Health, München, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 131

doi: 10.3205/24gmds863, urn:nbn:de:0183-24gmds8639

Published: September 6, 2024

© 2024 Sell et al.
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Einleitung: Nicht-übertragbare Erkrankungen verursachen die überwiegende Krankheitslast in Deutschland. Public-Health-Forschung nimmt unter anderem die kommerziellen Determinanten von Gesundheit in den Blick, da die Risikofaktoren – insbesondere der Konsum von Tabak, Alkohol sowie energiedichten Lebensmitteln und Getränken – eng mit den Aktivitäten privatwirtschaftlicher Akteure, insbesondere transnationaler Konzerne, verbunden sind. Jahrzehntelange Forschung zu Strategien der Tabakindustrie und neuere theoretisch-konzeptionelle Arbeiten zu diesen Commercial Determinants of Health (CDOH) stammen jedoch vor allem aus dem angloamerikanischen Raum.

Zielsetzung: Es wurde untersucht, (1.) inwiefern der Begriff „kommerzielle Determinanten von Gesundheit“ in der Public-Health-Forschung in Deutschland genutzt wird und (2.) welche CDOH-Forschung an deutschen Institutionen und mit Bezug zu Deutschland durchgeführt wird.

Methoden: Für die Standortbestimmung des Forschungsfelds wurde ein Scoping Review als Grundlage einer Evidence Map und einer Social-Network-Analyse umgesetzt. Ausgehend von der Lancet-Definition und Konzeptualisierung von CDOH [1] wurden eine Arbeitsdefinition für das Projekt erarbeitet, Ein- und Ausschlusskriterien definiert und systematische Suchen in Datenbanken relevanter Disziplinen durchgeführt. Nach Abstract- und Volltextscreening wurden Daten aus den eingeschlossenen Publikationen standardisiert extrahiert und unter anderem der Forschungskontext und CDOH-Schwerpunkt kategorisiert (z.B. Marketing, politische Einflussnahme). Anschließend wurden die durch Ko-Autor*innenschaft definierten Beziehungen in einer Social-Network-Analyse untersucht (Cowhitt et al., 2020). In einer explorativen Analyse wurde darüber hinaus untersucht, wie Publikationen, in denen nicht explizit das „Label“ CDOH verwendet wird, in die Standortbestimmung eingeschlossen werden können.

Ergebnisse: Basierend auf den eingeschlossenen Studien wurde als erstes Ergebnis eine umfassende Evidence Map erstellt, die Forschungsaktivitäten aufzeigt, in denen ein konzeptueller Bezug zu kommerziellen Determinanten von Gesundheit hergestellt wird. Für diese Forschungsaktivitäten sind u.a. disziplinäre Herangehensweise, Forschungsfragestellungen, Methodik, verwendete Frameworks und Theorien, Industrie/Sektor/Produkt dargestellt. Zweites relevantes Ergebnis ist eine Kartierung und Visualisierung von Forschungsnetzwerken („communities“) und Gemeinschaften („hubs of activity“), basierend auf den Verbindungen zwischen Autor*innen und Institutionen der eingeschlossenen Publikationen. Durch die Integration der Ergebnisse lassen sich die Gemeinschaften verschiedenen Disziplinen zuordnen und jeweils bevorzugte Forschungsmethoden, Frameworks, Theorien und CDOH-Schwerpunkte ermitteln („prominent lines of enquiry“ [2]). Forschung zu Corporate Social Responsibility und den Folgen der Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens sind Beispiele für Forschungsthemen mit direktem CDOH-Bezug, die jedoch selten explizit das Konzept CDOH erwähnen.

Schlussfolgerung: Das methodisch innovative Vorgehen einer kombinierten Evidence Map mit Social- Network-Analyse liefert einen Überblick über den aktuellen Stand der CDOH-bezogenen Forschung in Deutschland. In einzelnen Fragestellungen zu bestimmten Praktiken, Industrien bzw. Produkten wurde das Forschungsfeld bereits aufgegriffen, ein großer Teil CDOH-bezogener Literatur benennt das Konzept jedoch nicht explizit. Eine konsolidierte interdisziplinäre Vorgehensweise ist nicht erkennbar – CDOH Forschung bleibt noch weitgehend unsichtbar.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Gilmore AB, Fabbri A, Baum F, Bertscher A, Bondy K, Chang HJ, Demaio S, Erzse A, Freudenberg N, Friel S, Hofman KJ, Johns P, Abdool Karim S, Lacy-Nichols J, de Carvalho CMP, Marten R, McKee M, Petticrew M, Robertson L, Tangcharoensathien V, Thow AM. Defining and conceptualising the commercial determinants of health. Lancet. 2023 Apr 8;401(10383):1194-1213. DOI: 10.1016/S0140-6736(23)00013-2 External link
2.
Cowhitt T, Butler T, Wilson E. Using social network analysis to complete literature reviews: a new systematic approach for independent researchers to detect and interpret prominent research programs within large collections of relevant literature. International Journal of Social Research Methodology. 2019;23(5):483–496. https://doi.org/10.1080/13645579.2019.1704356 External link