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Sterblichkeit durch ischämische Herzkrankheiten während der COVID-19-Pandemie in Bayern – eine Analyse auf der Grundlage von multikausalen Todesursachendaten
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Published: | September 6, 2024 |
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Hintergrund: Vorhergehende Untersuchungen auf Basis der unikausalen Todesursachenstatistik (underlying cause of death; UCoD) weisen auf einen Exzess an Todesfällen durch akuten Myokardinfarkt (AMI) während der COVID-19-Pandemie in Deutschland hin. Um einen tieferen Einblick in die dynamische Entwicklung der Sterblichkeit im Zusammenhang mit ischämischen Herzkrankheiten (IHK) während der Pandemiejahre zu erhalten, können Daten zu multikausalen Todesursachen (multiple cause of death; MCoD) herangezogen werden. Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, wie sich die altersstandardisierten Mortalitätsraten für AMI und chronische IHK als UCoD sowie als MCoD in den Pandemiejahren 2020-2022 verändert haben. Bei Verstorbenen mit AMI und chronischer IHK als MCoD haben wir zusätzlich betrachtet, inwieweit AMI und chronische IHK als UCoD durch andere Ursachen, insbesondere durch COVID-19, während der Pandemiewellen verdrängt wurden.
Methoden: Wir haben Daten der Bayerischen Todesursachenstatistik der Jahre 2011-2022 verwendet. Für die Jahre 2020-2022 standen Informationen zu allen auf der Sterbeurkunde genannte Erkrankungen (MCoD) zur Verfügung. Die Analyse wurde auf den Altersbereich von 30 Jahren und älter beschränkt. Da COVID-19 nicht als konkurrierendes Ereignis zu äußeren Todesursachen angesehen werden kann, wurden Sterbefälle mit nicht-natürlichen Todesursachen ausgeschlossen. Es wurden jährliche altersstandardisierte Mortalitätsraten (Standardbevölkerung „Europa 2013“) für AMI (ICD-10-Code I21) und chronische IHK (ICD-10-Code I25) als UCoD im Zeitraum 2011-2022 und als MCoD für den Zeitraum 2020-2022 berechnet. Weiterhin führten wir Subgruppenanalysen bei Verstorbenen mit AMI und chronischer IHK als MCoD durch, um Veränderungen des Anteils von AMI und chronischer IHK als zugrundeliegende Todesursache während der verschiedenen Pandemiephasen zu untersuchen.
Ergebnisse: Zwischen 2020 und 2022 wurden im Bundesland Bayern 420.048 nicht-natürliche Todesfälle im Alter von 30 Jahren und älter registriert. In 4,8% (n=20.001) der Fälle wurde AMI als UCoD codiert, wohingegen AMI in 6,0% der Fälle (n=25.082) irgendwo auf dem Totenschein als MCoD vermerkt war. Die entsprechenden Zahlen für chronische IHK betrugen 7,6% (UCoD n=31.768) and 17,5% (MCoD n=73.716) sowie 6,5% (UCoD n=27.129) and 8,2% (MCoD n=34.636) für COVID-19. Im Gegensatz zum vorpandemischen rückläufigen Trend stiegen die altersstandardisierten Mortalitätsraten für AMI als UCoD von 67,2 Sterbefälle pro 100.000 Einwohner im Jahr 2020 auf 70,0 im Jahr 2022 an. Die Mortalität für AMI als MCoD betrachtet stieg ebenfalls von 83,8 auf 88,5 Sterbefälle pro 100.000 Einwohner an. Bei der chronischen IHK kam der bis 2019 beobachtete Rückgang in der UCoD-Zeitreihe in den Jahren 2020-2022 zum Stillstand. In diesem Zeitraum war die MCoD-Mortalitätsrate für chronische IHK im Jahr 2021 am höchsten. In der Subgruppe von Todesfällen mit AMI als MCoD lag der Anteil von AMI an den unikausalen Todesursachen in den verschiedenen Pandemiephasen zwischen 77,2-81,3% und blieb damit relativ stabil; der Anteil von Verstorbenen mit COVID-19 als Grundleiden erreichte dabei in Welle 2 seinen Höhepunkt (3,6%). Die entsprechenden Zahlen bei Verstorbenen mit chronischer IHK als MCoD zeigten eine stärkere Dynamik (40,6-44,6% für I25 als UCoD und 10,6% für COVID-19 als UCoD).
Schlussfolgerungen: Für den akuten Myokardinfarkt schien sich die rückläufige Mortalitätsentwicklung in den Pandemiejahren deutlicher umzukehren als für die chronische IHK. COVID-19 wurde während der Pandemie vor allem für die chronische IHK zur konkurrierenden Todesursache, was sich insbesondere in der pandemiephasenspezifischen Analyse zeigte.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.