Article
Motive und Ursachen für das Aufsuchen einer Notaufnahme mit weniger dringlichen Beschwerden: Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Querschnittsbefragung von Patient:innen an neun deutschen Notaufnahmen – EPICS-9/PiNo-Bund
Search Medline for
Authors
Published: | September 6, 2024 |
---|
Outline
Text
Einleitung: Die Beanspruchung durch Patient:innen mit weniger dringlichem Behandlungsbedarf gilt als eine Ursache der Notaufnahmeüberfüllung. Zum Erhalt belastbarer Informationen über die Motive der Patient:innen, die Notaufnahmen statt vertragsärztlicher Versorgungsstrukturen aufzusuchen, sind die Gründe bei den Patient:innen selber zu erfassen.
Methode: Deutschlandweit wurden Patient:innen zwischen 2018 und 2020 in neun Notaufnahmen während ihres Aufenthaltes im Warteraum gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Neben demografischen Daten wurden Gründe zum Aufsuchen der Notaufnahme, Dauer und Schwere der aktuellen Hauptbeschwerden und vorhergehende Bemühungen um medizinische Versorgung und Kenntnis alternativer notfallmedizinischer Strukturen erhoben.
Ergebnisse: 2752 Fragebögen wurden ausgewertet, Frauen (46%) und Männer (44%) waren nahezu gleich vertreten. Das mediane Alter lag bei 47 Jahren. Bei beiden Geschlechtern gab es Altersspitzen um das 30. sowie 54. Lebensjahr. 84% lebten seit ihrer Geburt in Deutschland. 48% hatten eine abgeschlossene Ausbildung und 32% einen Hochschulabschluss. Aktuell berufstätig waren 63%, 23% waren im Ruhestand und 15% nicht erwerbstätig. Die häufigste gesundheitliche Beschwerde waren Schmerzen, mit denen sich 41% vorstellten. Weitere Symptome (Mehrfachantworten möglich) waren Schwindel, Verletzungen und Herzkreislaufprobleme. 41% sahen einen sehr dringenden bis sofortigen Behandlungsbedarf; 59 % einen weniger dringenden oder normalen. Bei 58% Patient:innen waren die Beschwerden erstmals aufgetreten, bei 28% Prozent wiederholt und bei 14% lagen sie dauerhaft vor. Begonnen hatten sie bei 31 % am Tag des Notaufnahmebesuches, bei den anderen am Vortag bis vor mehreren Tagen. Die Mehrheit hatte die Notaufnahme in den letzten sechs Monaten nicht in Anspruch genommen, ca. zehn Prozent fielen in die Kategorie der Frequent User.
80% verfügten über ein:e Hausärzt:in oder Fachärzt:in. Mehrheitlich (56%) war eine Arztpraxis vor dem Notaufnahmebesuch mit den aktuellen Beschwerden kontaktiert worden, wobei 78% der Befragten angaben, dort eine Empfehlung zur Notaufnahmevorstellung erhalten zu haben. Auch diejenigen (7%), die den KV Notdienst kontaktierten, wurden überwiegend an die Notaufnahme verwiesen. Motive direkt die Notaufnahme aufzusuchen waren eine geschlossene Praxis, die Annahme fehlender Ressourcen für notwendige Diagnostik und Therapie und/oder sehr große Besorgnis. Beim Vergleich zwischen niedergelassener und Notaufnahmeversorgung wurden die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Notaufnahme zu 75% als Vorteil genannt und der jederzeitige Zugang zu 91%Als nachteilig gegenüber der niedergelassenen Versorgung wurde nur die Zeit im Warteraum angegeben und der Mangel an Anonymität.
Diskussion: Die Antworten verdeutlichen das Alleinstellungsmerkmal der Notaufnahme als jederzeitige Anlaufstelle mit umfassenden diagnostischen und therapeutischen Ressourcen. Damit fungiert die Notaufnahme als bedeutsame Anlaufstelle beim Wunsch nach schneller Abklärung gesundheitlicher Besorgnisse oder akut belastender Beschwerden bei Patient:innen, aber auch bei niedergelassenen Ärzt:innen. Eine Entlastung der Notaufnahmen wird nur realisiert werden, wenn innerhalb des ambulanten Systems Strukturen mit einem verbindlichen akuten Versorgungsangebot bereitgestellt werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Frick J, Möckel M, Schmiedhofer M, Searle J, Erdmann B, Erhart M, et al. Fragebogen zur Inanspruchnahme der Notaufnahmen. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2019;114:38–44.
- 2.
- Schmiedhofer M, Möckel M, Slagman A, Frick J, Ruhla S, Searle J. Patient motives behind low-acuity visits to the emergency department in Germany: a qualitative study comparing urban and rural sites. BMJ Open. 2016;6:e013323.
- 3.
- Scherer M, Lühmann D, Kazek A, Hansen H, Schäfer I. Patients Attending Emergency Departments - a cross-sectional study of subjectively perceived treatment urgency and motivation for attending. Dtsch Arztebl Int. 2017;114:645-652.