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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Soziale Unterstützung und Stigmatisierungserfahrungen von Suizidhinterbliebenen: Ergebnisse einer Mixed-Methods-Studie

Meeting Abstract

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  • Franziska Marek - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, Sektion Public Mental Health, AG Suizidprävention, Ulm, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 798

doi: 10.3205/24gmds757, urn:nbn:de:0183-24gmds7575

Published: September 6, 2024

© 2024 Marek.
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Einleitung / Ziel der Studie: Diese Mixed-Methods-Querschnittsstudie, durchgeführt 2022/2023 in Deutschland, untersucht die Dynamiken von Stigma und sozialer Unterstützung bei Suizidhinterbliebenen. Das Forschungsziel ist es, das Verständnis der spezifischen Trauererfahrungen dieser Gruppe zu vertiefen und die sozialen Prozesse, die diese beeinflussen, zu erforschen.

Vor dem Hintergrund von jährlich mehr als 9.000 Suiziden in Deutschland [1] und dem erhöhten Risiko der Hinterbliebenen für u.a. Depression, Suizidalität und sog. komplizierte Trauer [2], [3] adressiert unsere Studie wichtige Forschungslücken im Bereich der sozialen Determinanten von Trauererfahrungen und liefert Erkenntnisse für die Entwicklung von Interventionen zur Reduktion von Stigmatisierung und zur Stärkung der sozialen Unterstützung von Suizidhinterbliebenen.

Methoden: ???Diese Mixed-Methods-Studie umfasst zwei Teilprojekte: Das erste qualitative Teilprojekt untersucht mittels qualitativer Inhaltsanalyse von Online-Interviews mit 18 Suizidhinterbliebenen spezifische Charakteristika sozialer Erfahrungen, die die wahrgenommene Stigmatisierung entweder verstärken oder abschwächen sowie die wahrgenommene soziale Unterstützung fördern oder behindern. Das zweite Teilprojekt, eine querschnittliche Online-Befragung von 550 Suizidhinterbliebenen, untersucht die Zusammenhänge zwischen verschiedenen psychosozialen Faktoren, darunter wahrgenommene Stigmatisierung, Selbststigmatisierung, wahrgenommene soziale Unterstützung und psychische Gesundheitsoutcomes bei Suizidtrauer.

Ergebnisse: Die qualitativen Interviews haben gezeigt, dass Suizidhinterbliebene unmittelbar nach dem Verlust sowohl unterstützende Gesten als auch belastende soziale Interaktionen erleben, die zu Gefühlen der sozialen Isolation und Stigmatisierung führen können. Bei Trauerritualen wie Gedenkfeiern und Beerdigungen schaffen personalisierte Zeremonien eine unterstützende Atmosphäre, die kollektive Trauererfahrungen und damit soziale Bindungen stärkt. Auf lange Sicht finden Trauernde oft Trost und Verständnis im Austausch mit anderen, die ähnliche Verluste erlebt haben, auch wenn die Herausforderungen durch anhaltende Stigmatisierung (u.a. erlebt als soziale Vermeidung und Depersonalisierung der Verlusterfahrung durch Sensationalisierung des Suizides) bestehen bleiben. (Dieser Ergebnisteil ist bereits publiziert, siehe [4].)

Die Analyse der wahrgenommenen Familiendynamik nach einem Suizidverlust hat gezeigt, dass die Familienmitglieder unterschiedliche Bewältigungsstrategien anwenden, die zu emotionaler Distanz innerhalb der Familie führen können. Die familiären Rollen und Kommunikationsmuster verändern sich nach dem Verlust signifikant, was die emotionale Unterstützung innerhalb der Familie sowohl stärken als auch schwächen kann. Es besteht ein deutlicher Bedarf an formellen Unterstützungssystemen, da die familiäre Unterstützung allein oft unzureichend ist und die Teilnehmenden einen Mangel an unmittelbarer professioneller Hilfe betonen.

Die Auswertung des zweiten quantitativen Teilprojekts steht noch aus. Erste deskriptive Ergebnisse zeigen signifikante Geschlechterunterschiede in der Wahrnehmung der erhaltenen sozialen Unterstützung. Zudem wird die verfügbare soziale Unterstützung in den ersten sechs Monaten nach dem Verlust im Durchschnitt als angemessen wahrgenommen, nimmt aber im Zeitverlauf deutlich ab.

Schlussfolgerung: Die bisherigen Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von proaktiver Unterstützung und offenem Dialog im Umgang mit Suizidverlusten und der Unterstützung von Hinterbliebenen. Dies erfordert umfassende Strategien, die sowohl die familiären Ressourcen im Umgang mit Suizidverlusten stärken als auch die Suizid- und Trauerkompetenz in der Allgemeinbevölkerung verbessern, um der Tabuisierung und Stigmatisierung von Suizid/-verlusten entgegenzuwirken und letztlich ein unterstützendes soziales Umfeld für Suizidhinterbliebene zu fördern.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Statistisches Bundesamt Deutschland. GENESIS-Online: Ergebnis 23211-0002 [Internet]. 31 Oct 2022 [cited 2024 Apr 30]. Available from: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=23211-0002&sachmerkmal=TODUR1&sachschluessel=TODESURS78&startjahr=1980#abreadcrumb External link
2.
Pitman A, Osborn D, King M, et al. Effects of suicide bereavement on mental health and suicide risk. Lancet Psychiatry. 2014;1(1):86-94. DOI: 10.1016/S2215-0366(14)70224-X External link
3.
Feigelman W, Cerel J, McIntosh JL, et al. Suicide exposures and bereavement among American adults: Evidence from the 2016 General Social Survey. J Affect Disord. 2017;227:1-6. DOI: 10.1016/j.jad.2017.09.056 External link
4.
Marek F, Oexle N. Supportive and non-supportive social experiences following suicide loss: a qualitative study. BMC Public Health. 2024;24(1):1190. DOI: 10.1186/s12889-024-18545-3 External link