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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Der Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und sozioökonomischem Status – eine kritische Diskussion der deutschen Tabaksteuer

Meeting Abstract

  • Dorothea Mößnang - Berlin School of Public Health, Berlin, Germany; Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Anne Starker - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Michael Hanselmann - Professorship of Public Health and Prevention, School of Medicine and Health, Technical University of Munich, München, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 488

doi: 10.3205/24gmds755, urn:nbn:de:0183-24gmds7556

Published: September 6, 2024

© 2024 Mößnang et al.
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Text

Einleitung: Im Jahr 2023 verzeichnete der deutsche Staat Einnahmen von etwa 12 Milliarden Euro mit der Steuer auf Tabakprodukte [1]. Derzeit wird pro Packung Zigaretten je nach Marke und Tabakprodukt zwischen 70-80 % des Kaufpreises an den Fiskus abgegeben [1]. Der Anteil der Steuer am Verkaufspreis setzt sich aus einem spezifischem Anteil 11,15 Cent pro Zigarette zuzüglich eines proportionalen Anteils von 19,84 % des Kleinverkaufspreises zusammen; hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 19 % des Nettopreises (§ 2 Absatz 1 bis 3 TabStMoG). Die Tabaksteuer ist in Deutschland eine wichtige Tabakkontrollmaßnahme – einerseits als Einnahmequelle, andererseits als gesundheitspolitische Lenkung - und wird seit einigen Jahren sukzessive erhöht [2].

Im Allgemeinen lässt sich der Trend zu weniger Tabakkonsum in den vergangenen Jahren beobachten, die durchschnittliche Rauchquote in Deutschland sinkt langsam, aber kontinuierlich [3]. Dennoch liefern Auswertungen der letzten zwanzig Jahre Hinweise auf eine Stagnation des Raucher:innenanteils in Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem Bildungsniveau [4]. Ziel des Beitrags ist, den Umfang der finanziellen Mehrbelastung von Raucher:innen in verschiedenen sozioökonomischen Statusgruppen aufgrund der steigenden Tabaksteuern zu bestimmen.

Methoden: Anhand von Ergebnissen aus bevölkerungsrepräsentativen Studien des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut wird die Entwicklung des Rauchverhaltens in verschiedenen sozioökonomischen Gruppen, bzw. Bildungsgruppen ab Ende der 1990er Jahre bis zum Jahr 2019 abgebildet. Mithilfe eines Modells zur Einkommens- und Tabaksteuersteuerentwicklung wird die finanzielle Mehrbelastung von Raucher:innen in den verschiedenen sozioökonomischen Statusgruppen ermittelt, indem der Anteil der jährlichen Ausgaben für die Tabaksteuer bei einem täglichen Zigarettenkonsum von 10 Zigaretten in verschiedenen Einkommensquantile berechnet wird.

Ergebnisse: Insgesamt nimmt die Rauchprävalenz ab, wobei die Rauchprävalenz bei Personen der niedrigeren und mittleren sozioökonomischen Statusgruppe oder Bildungsgruppe durchgehend höher ist als in der Gruppe mit hohem sozioökonomischem Status bzw. Bildungsniveau. Der Unterschied zwischen den sozioökonomischen Statusgruppen, bzw. Bildungsgruppen ist über den Betrachtungszeitraum kontinuierlich größer geworden. Die Berechnung der Ausgaben für die Tabaksteuer zeigt, dass Rauchende mit sehr niedrigem Einkommen 5,7 % ihres Einkommens für die Tabaksteuer ausgeben müssen, während der Anteil bei Rauchenden mit sehr hohem Einkommen bei 0,6 % liegt. Insgesamt sind die Anteile der Ausgaben für Tabaksteuern und Tabakprodukte seit einigen Jahren wieder leicht gesunken. Die Unterschiede in den verschiedenen Einkommensgruppen bleiben jedoch auf einem konstant hohen Niveau bestehen.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse geben Auskunft über die immer noch wachsende Ungleichheit des Rauchverhaltens in den sozioökonomischen Gruppen, sowie über die finanzielle Mehrbelastung durch die Tabaksteuer bei Rauchenden mit niedrigen Einkommen. Dennoch ist es notwendig, weitere Studien mit Langzeituntersuchungen zur finanziellen Belastung und den daraus resultierenden gesundheitlichen Belastungen von Rauchenden mit niedrigem Einkommen in Deutschland durchzuführen. Darüber hinaus sollten zusätzliche politische Maßnahmen zur Tabakprävention in verschiedenen sozioökonomischen Gruppen geprüft werden, wobei der Fokus auf der Erreichbarkeit der Zielgruppe liegen sollte. Entscheidend ist es, einen Policy-Mix anzustreben, der sowohl auf der individuellen Verhaltensebene als auch auf der strukturellen Ebene verschiedene Lebensbereiche adressiert.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Statistisches Bundesamt (Destatis). Versteuerung von Tabakwaren (Zigaretten, Zigarren/Zigarillos): Deutschland, Jahre, Steuerzeichen [Internet]. [cited 2024 Apr 04]. Available from: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?language=de&sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=73411-0001#abreadcrumb External link
2.
Deutscher Bundestag. Das Aufkommen und die Wirkungsweise von Lenkungssteuern und Steuervergünstigungen in Deutschland. WD 4 - 048/07. Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen; 2007.
3.
Verteilung der Bevölkerung nach ihrem Rauchverhalten (in Prozent). Gliederungsmerkmale: Jahre, Deutschland, Alter, Geschlecht, Rauchverhalten (Primärquelle: Mikrozensus - Fragen zur Gesundheit, Statistisches Bundesamt) [Internet]. [cited 2024 Apr 21]. Available from: https://www.gbe-bund.de:443/gbe/isgbe.archiv?p_indnr=436&p_archiv_id=5609333&p_sprache=D&p_action=A External link
4.
Hoebel J, Kuntz B, Kroll LE, et al. Trends in Absolute and Relative Educational Inequalities in Adult Smoking Since the Early 2000s: The Case of Germany. Nicotine & Tobacco Research. 2017;20(3):295-302.