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Psychische Arbeitsbelastungen und deren Einfluss auf depressive Symptomatik und erhöhte Arbeitsunfähigkeit unter Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten. Ergebnisse der Studie GEDA Fokus
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Published: | September 6, 2024 |
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Hintergrund: Diagnosen psychischer Erkrankungen wie Depressionen und dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit nahmen in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt deutlich zu. Außerdem gibt es Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten psychopathologischer Symptome in der Bevölkerung ab 2021/2022, in einer Zeit gekennzeichnet durch multiple gesellschaftliche Krisen. Für die Allgemeinbevölkerung ist bereits bekannt, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit und Arbeitsfähigkeit spielen. Ziel dieses Beitrages ist es zu untersuchen, ob sich diese Zusammenhänge auch in einer Stichprobe von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten nachweisen lassen.
Methoden: Analysiert wurden Daten der mehrsprachigen, multimodalen Befragungsstudie GEDA Fokus (11/2021-05/2022; Einwohnermeldeamtsstichprobe) unter Menschen mit italienischer, kroatischer, polnischer, türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit. Psychische Arbeitsbelastungen wurden mittels fünf Items erfasst (Beeinträchtigungen im Arbeitsklima, Unsicherheit des Arbeitsplatzes, starker Leistungsdruck, zeitliche Belastungen, in Einzelheiten vorgeschriebene Arbeitsdurchführung). Sofern mindestens einmal angegeben wurde, dass diese Belastungen „häufig“ auftreten, wurde eine starke Belastung definiert, die Angabe von mindestens einmal „manchmal“ als mittlere Belastung und die durchgängige Angabe von „selten“ oder „nie“ als keine Belastung gewertet. Fälle mit mehr als zwei fehlenden Werten wurden ausgeschlossen. Angaben zu depressiven Symptomen in den letzten zwei Wochen wurden mittels der 9-Item-Version des Gesundheitsfragebogens für Patienten (PHQ-9) erhoben, wobei der etablierte Cutoff von PHQ-9 ≥ 10 (Wertebereich: 0-27) zur Feststellung einer aktuellen depressiven Symptomatik verwendet wurde. Als erhöhte Arbeitsunfähigkeit (AU) wurden 11 oder mehr AU-Tage in den letzten 12 Monaten definiert, da die durchschnittliche Anzahl der AU-Tage in Deutschland 2021 bei 11,2 Tagen lag. Die erhöhte AU wurde Angaben von keinen AU-Tagen und solchen unter 11 Tagen gegenübergestellt. Mittels Poisson-Regressionen wurden Prevalence Ratios (PR) und 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) berechnet und der Einfluss von psychischen Arbeitsbelastungen auf das Vorliegen depressiver Symptomatik sowie erhöhte AU unter statistischer Kontrolle von Geschlecht, Alter, Bildung und Staatsangehörigkeit nach Einwohnermeldeamt untersucht.
Ergebnisse: Von 3.335 Erwerbstätigen (38,0% weiblich, medianes Alter 40 Jahre) gaben 33,4% keine, 31,7% mittlere und 35,0% starke psychische Arbeitsbelastungen an. Personen mit starker psychischer Arbeitsbelastung wiesen häufiger eine aktuelle depressive Symptomatik auf (28,9%) als diejenigen mit mittlerer (18,2%) und keiner Belastung (6,6%); sie wiesen auch häufiger erhöhte AU auf (33,3%) im Vergleich zu denen ohne Belastung (20,0%). Mittlere (PR: 2,90; 95%- KI: 1,95-4,31) und starke psychische Arbeitsbelastungen (PR: 4,71; 95%-KI: 3,23-6,89) waren im Poisson-Regressionsmodell positiv mit dem Auftreten depressiver Symptomatik assoziiert. Für starke psychische Arbeitsbelastungen bestand zudem ein positiver Zusammenhang mit erhöhter AU (PR=1,71; 95%-KI: 1,23-2,39).
Diskussion: Die für die Allgemeinbevölkerung bekannten Zusammenhänge zwischen psychischen Arbeitsbelastungen und dem Auftreten psychopathologischer Symptome sowie erhöhter AU zeigen sich auch in einer Stichprobe von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten. Eine systematische Prävention psychischer Folgen von Arbeitsbelastungen ist daher notwendig und sollte auch spezifische Bedarfe von Menschen mit Migrationsgeschichte mitberücksichtigen. Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung, Stressmanagement und Verbesserung des Arbeitsklimas, aber auch das Bewusstsein der Arbeitgeber:innen für psychische Folgen von Arbeitsbelastungen wie Zeit- und Leistungsdruck, Arbeitsplatzunsicherheit aber auch strukturelle Benachteiligung und alltägliche Diskriminierung am Arbeitsplatz sollten gestärkt werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.