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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Das Erleben der individuellen Gesundheitsversorgung im deutschen Gesundheitssystem von Patient:innen mit Adipositas permagna

Meeting Abstract

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  • Finn Houska - Universität Osnabrück, Osnabrück, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 607

doi: 10.3205/24gmds694, urn:nbn:de:0183-24gmds6947

Published: September 6, 2024

© 2024 Houska.
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Hintergrund und Ziel: Von der WHO wird Adipositas als chronische Erkrankung eingestuft, die ein potentielles Gesundheitsrisiko für die betroffene Person bedeutet ([1], S. 1 & S. 8), und die Prävalenz von Adipositas in der deutschen Bevölkerung steigt in die letzten Jahre ([2], S. 23). In der Folge nimmt auch die Zahl der Menschen mit Adipositas, die Kontakt mit Versorgungsprozessen und -strukturen des deutschen Gesundheitssystems und speziell der Mikroebene der direkten Versorgung in ambulanten und stationären Einrichtungen haben, zu. Das Ziel dieser Abschlussarbeit ist es herauszufinden, wie Menschen mit Adipositas permagna die Gesundheitsversorgung auf der Mikroebene des deutschen Gesundheitssystems erleben.

Methodik: Es wurden im September und Oktober 2023 leitfadengestützte Interviews mit 6 Proband:innen mit Adipositas Grad III durchgeführt. Die Rekrutierung der Proband:innen erfolgte in einem Zentrum Adipositaschirurgie. Der Leitfaden wurde nach der SPSS-Regel von Helfferich erstellt ([3], S. 182-189), und für die Auswertung erfolgte eine kategorienbasierte Analyse entlang der Hauptkategorien im Rahmen einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz & Rädiker [4]. Die fünf deduktiv abgeleiteten Hauptkategorien decken verschiedene Bereiche des Erlebens ab. Die Hauptkategorien sind das Individuelle Erleben von Gesundheitsversorgung, die Wahl von medizinischer Versorgung, die Kommunikation mit medizinischem Fachpersonal im Behandlungskontext, Versorgungssicherheit und individuelle Sicherheit im deutschen Gesundheitssystem und die prospektive Sicht auf das deutsche Gesundheitssystem. Anschließend wurden in einem induktiven Ansatz Subkategorien gebildet, um die Zusammenhänge auf der Ebene der Hauptkategorien zu differenzieren ([4], S. 129-156).

Ergebnisse: Die überwiegende Zahl der Proband:innen empfanden ihre Allgemeinmediziner:innen als unterstützend bei der Gewichtsabnahme und erlebten zum Teil eine Stigmatisierung durch Fachmediziner:innen. Aus der Stigmatisierung resultierte zum Teil eine nicht adressierte Behandlung medizinischer Bedürfnisse. Die Kommunikation vom medizinischen Fachpersonal würde dichotom als sehr ausführlich oder sehr empathisch erlebt. Die Bedeutung einer ausführlichen und empathischen Kommunikation zwischen Patient:innen und medizinischem Personal wurde als entscheidender Faktor für das Vertrauen und die Zufriedenheit der Patient:innen in der Gesundheitsversorgung betont. Trotz überwiegend negativer Gesundheitsperzeption zeigten viele Patient:innen mit Adipositas positive Erfahrungen in der Gesundheitsversorgung, was jedoch durch die negative Wahrnehmung der eigenen Gesundheit möglicherweise beeinflusst wird. Eine abschließende Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass Patient:innen mit Adipositas im Allgemeinen ein gutes Vertrauen in das derzeitige Gesundheitssystem haben. Die Teilnehmer:innen äußerten Vertrauen in persönliche Gesundheitsvorsorge und das Gesundheitssystem. Jedoch ist die Zukunftsperspektive der Teilnehmer:innen hinsichtlich des Gesundheitssystems sehr negativ.

Schlussfolgerung: Die Studie betont die Pluralität im Erleben von Patient:innen mit Adipositas und identifiziert den Bedarf an spezifischer Forschung zu ihrem Versorgungserleben, da bisherige Ansätze stark defizitorientiert sind. Es zeigen sich jedoch einige Parallelen, die eine Lebensstiländerung z.B. durch die Unterstützung von Allgemeinmediziner:innen fördern. Diese Ergebnisse könnte künftige Forschung leiten, z.B. durch den Einsatz von Patient-reported Experience Measures (PREMs), um spezifische Bedürfnisse zu erfassen und einen Kommunikationsleitfaden zu entwickeln, die in das neue Disease-Management-Programme (DMP) integriert werden können. Trotz des bereits vorhandenen Vertrauens in das Gesundheitssystem zeigen Patient:innen Bedenken für die Zukunft, was die Notwendigkeit unterstreicht, das Vertrauen durch verbesserte direkte Versorgung und Kommunikation zu stärken, um Lebensstiländerungen und präventive Maßnahmen zu fördern.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
WHO. Obesity: preventing and managing the global epidemic. Genf: WHO; 2000. (WHO Technical Report Series; 894).
2.
Schienkiewitz A, Kuhnert R, Blume M, Mensink GB. Overweight and obesity among adults in Germany - Results from GEDA 2019/2020-EHIS. J Health Monit. 2022;7(3):21-28. DOI: 10.25646/10293 External link
3.
Helfferich C. Die Qualität qualitativer Daten: Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. 4. Ausg. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2011.
4.
Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung: Grundlagentexte Methoden. 5. Ausg. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2022.