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Die Beweggründe für das Vortäuschen von Orgasmen bei Frauen in heterosexuellen Beziehungen in Deutschland
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Das Vortäuschen von Orgasmen ist insbesondere unter heterosexuellen Frauen weit verbreitet [1]. Das erhöhte Aufkommen der Praktik kann dazu führen, dass das tatsächliche Auftreten von Orgasmen während des heterosexuellen Geschlechtsverkehrs gesellschaftlich verzerrt wahrgenommen wird. Unsicherheiten bezüglich der tatsächlichen Häufigkeit von Orgasmen, besonders beim penetrativen Akt, wurden dabei bei Frauen auch mit einer gesteigerten Unsicherheit über das eigene sexuelle Wohlbefinden, bis hin zur Selbstdiagnose von Orgasmusstörungen in Verbindung gebracht [2]. Während bisherige Forschung vor allem im Raum Nordamerika vertreten ist, zielt das folgende Projekt darauf ab, erste Daten zu den Motivationen für die Praktik von heterosexuellen Frauen in Deutschland zu gewinnen. Dies soll für ein umfassenderes Verständnis für deren sexuelle Gesundheit sorgen und als Grundlage für weiterführende, spezifische Forschung im Bereich der Sexualgesundheit und Sozialmedizin dienen.
Methoden: Im Jahr 2023 führte das Institut für Epidemiologie, Biometrie und Informatik in Halle (Saale) eine Online-Umfrage durch, um Erkenntnisse über die sexuellen Erfahrungen von Frauen in heterosexuellen Beziehungen in Deutschland zu sammeln. An der Studie nahmen 363 Frauen im Alter von 18 bis 65+ Jahren teil. Eine Teiluntersuchung konzentrierte sich auf das Phänomen des Vortäuschens von Orgasmen und beinhaltete offene Fragen, um die Motivationen für die Praktik zu verstehen und Raum für Antworten zu bieten, die bisher wissenschaftlich noch nicht erfasst wurden.
Ergebnisse: Von insgesamt 277 befragten Frauen gaben 172 an, bereits einmal einen Orgasmus vorgetäuscht zu haben und erklärten ihre Beweggründe dafür. Einige von ihnen berichteten, dass sie dadurch den Höhepunkt ihres Partners beschleunigen wollten, umso die Interaktion schnell zu beenden. Dies geschah oftmals aufgrund von Faktoren wie Müdigkeit, Langeweile, Unwohlsein oder der Voraussicht keinen Orgasmus zu erleben. Diese Taktik half, potenzielle Konflikte zu vermeiden, die aus dem Fehlen des Höhepunkts der Frau entstehen könnten, um so eine mögliche Enttäuschung oder Frustration seitens des Sexualpartners zu verhindern. Einige Frauen brachten das Verhalten oftmals mit geringem Selbstwertgefühl und Unsicherheit in Verbindung, da sie sich unter Druck gesetzt fühlten, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen. Im Gegensatz dazu diente das Vortäuschen von Orgasmen jedoch auch als Möglichkeit, Zuneigung und Fürsorge auszudrücken, indem so Wertschätzung für die Bemühungen des Partners gezeigt wurde, sowie um eine gute Stimmung zu fördern. In diesem Sinne wurde die Praktik auch strategisch verwendet, um einen positiven Eindruck zu erzeugen und die Verbindung zum eigenen Partner oder auch zu einem potenziellen Partner zu stärken.
Schlussfolgerung: Die Vielfalt der Beweggründe zum Vortäuschen von Orgasmen verdeutlicht deren tiefgreifende Auswirkungen auf intime Beziehungen, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Dynamiken beeinflussen können. Dabei wurde herausgefunden, dass vorgetäuschte Orgasmen als Notlösung, als routiniertes Verhalten oder auch zur Manipulation eingesetzt wurden, um so bestimmte Ausgangssituationen zu erzielen. Besonders relevant für zukünftige Forschung im Bereich der Sexualtherapie, Sexualmedizin und Sozialmedizin ist der Einsatz dieser Praktik zum Selbstschutz vor Konfrontationen, der aus dem Druck entsteht, während des heterosexuellen Geschlechtsverkehrs einen Orgasmus erreichen zu müssen. Um angemessene Interventionen zu entwickeln, ist es entscheidend, die emotionalen Auswirkungen und die damit verbundenen psychologischen und sozialen Folgen besser zu verstehen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Muehlenhard CL, Shippee SK. Men's and women's reports of pretending orgasm. Journal of Sex Research. 2010;47(6):552-567.
- 2.
- Hevesi K, Horvath Z, Sal D, Miklos E, Rowland DL. Faking orgasm: Relationship to orgasmic problems and relationship type in heterosexual women. Sexual Medicine. 2021;9(5):100419.
- 3.
- Fahs B. Coming to power: Women's fake orgasms and best orgasm experiences illuminate the failures of (hetero) sex and the pleasures of connection. Culture, Health & Sexuality. 2014;16(8):974-988.