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Das affektive Wohlbefinden ukrainischer Geflüchteter in Deutschland im Zeitverlauf
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Seit Februar 2022 sind weit über eine Million Ukrainer und insbesondere Ukrainerinnen nach Deutschland gekommen. Ukrainische Geflüchtete in Deutschland weisen stark ausgeprägte Disstresssymptome und auffällige Werte hinsichtlich Ängstlichkeit und Depressivität auf [1]. In der bisherigen Forschung gibt es allerdings noch wenige Befunde, wie sich die mentale Gesundheit im zeitlichen Verlauf in dieser migrantischen Gruppe entwickelt. Daher betrachtet die vorliegende Studie das affektive Wohlbefinden ukrainischer Geflüchteter seit ihrer Ankunft in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 bis zum Sommer 2023. Weiterhin werden Sorgen sowie spezifische Prädiktoren mit Blick auf Partnerschaft und Familie berücksichtigt.
Methoden: Die Analyse basierte auf einer Panelstudie ukrainischer Geflüchteter in Deutschland, die in den ersten beiden Wellen in Kooperation von IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP („Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“) erhoben wurde und seit der dritten Welle mit der Hälfte der Befragten als BiB/FReDA Befragung („Geflüchtete aus der Ukraine“) fortgesetzt wird. Hierbei wurde ein repräsentatives Sample von Ukrainerinnen und Ukrainern befragt, die zwischen dem 24.02.2022 und 08.06.2022 in Einwohnermeldeämtern registriert wurden. Die 2.450 Befragten, die an den drei Panelwellen (Sommer 2022, Frühjahr 2023, Sommer 2023) teilgenommen haben und keine fehlenden Werte bei den in den Analysen genutzten Variablen aufwiesen, wurden berücksichtigt. Ihr Wohlbefinden wurde durch die affektive Balance [2] indiziert. Die Skala stellt eine Balance aus der Häufigkeit negativer und positiver Emotionen dar. Mögliche Risiko- und Schutzfaktoren bildeten die Prädiktoren. Neben einer Gesamtanalyse wurde die spezifische Situation von Eltern und Personen in Partnerschaften fokussiert. Durch ein Within-Between Modell wurden intraindividuelle Unterschiede im Zeitverlauf sowie interindividuelle Differenzen zwischen den Befragten beobachtet.
Ergebnisse: Das Wohlbefinden der Ukrainerinnen und Ukrainer ist über die Zeit hinweg signifikant gestiegen. Dennoch erlebten die Befragten positive Emotionen nur geringfügig häufiger als negative. Die Ergebnisse des Within-Between Modells zeigten, dass der schädliche Einfluss der wirtschaftlichen, familien- und gesundheitsbezogenen Sorgen auf das Wohlbefinden nicht unter Berücksichtigung der vermeintlich protektiven Faktoren gesunken ist. Jedoch profitierte das Wohlbefinden im Zeitverlauf von einem häufigeren Kontakt zu Deutschen, verbesserten Deutschkenntnissen und dem Einstieg in eine Teilzeitstelle. Im Vergleich zu anderen Befragten wiesen zudem diejenigen ein höheres Wohlbefinden auf, die häufiger Kontakt zu Deutschen oder Ukrainerinnen bzw. Ukrainern hatten, besser Deutsch sprachen und nicht in Vollzeit arbeiteten. Das Wohlbefinden von Eltern wurde stark vom Wohlbefinden ihrer Kinder beeinflusst. Ein weiterer starker Prädiktor des Wohlbefindens fand sich durch den Wohnort des Partners oder der Partnerin in Deutschland im Gegensatz zur Ukraine.
Schlussfolgerung: Ukrainische Geflüchtete in Deutschland leiden unter ihren Sorgen - in dieser Studie bezüglich der wirtschaftlichen Situation, ihrer Gesundheit und ihrer Familie in der Ukraine. Diese Sorgen blieben einflussstark, selbst wenn vermutete protektive Faktoren in die Analyse eingeschlossen wurden. Daraus wird ersichtlich, dass Ukrainerinnen und Ukrainer Unterstützung in diesen Bereichen benötigen. Indikatoren der sozialen Integration in Deutschland waren ebenfalls bedeutend. Mögliche Erklärungen für die negative Assoziation zwischen einer Vollzeitstelle und dem Wohlbefinden werden durch einen eventuellen Statusverlust nach Migration oder eine zeitliche Überforderung der Befragten geboten. Weiterhin wurde deutlich, dass Familien als zusammenhängende Einheit berücksichtigt werden sollten, insbesondere da diese durch die Kriegssituation vielfach getrennt sind.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Buchcik J, Kovach V, Adedeji A. Mental health outcomes and quality of life of Ukrainian refugees in Germany. Health and Quality of Life Outcomes. 2023;21(1):23.
- 2.
- Schimmack U, Schupp J, Wagner G. The Influence of Environment and Personality on the Affective and Cognitive Component of Subjective Well-Being. Social Indicators Research. 2008;89:41–60.