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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Prävalenz von Langzeit-Opioid-Anwendern mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen und Kosten aus GKV-Perspektive – Routinedatenanalyse

Meeting Abstract

  • Anja Niemann - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Nils Schrader - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Christian Speckemeier - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Carina Abels - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Nikola Blase - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Milena Weitzel - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Anja Neumann - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Cordula Riederer - DAK-Gesundheit, Hamburg, Germany
  • Joachim Nadstawek - Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD), Berlin, Germany
  • Wolfgang Straßmeir - Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD), Berlin, Germany
  • Jürgen Wasem - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Silke Neusser - Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 225

doi: 10.3205/24gmds576, urn:nbn:de:0183-24gmds5762

Published: September 6, 2024

© 2024 Niemann et al.
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Text

Einleitung: Verordnungszahlen opioider Analgetika (OA) sind in Deutschland seit den 1990er Jahren kontinuierlich gestiegen [1]. Heute werden OA größtenteils bei nicht-tumorbedingten Schmerzen eingesetzt [1], [2]. Die Prävalenz chronischer nicht-tumorbedingter Schmerzen (CNTS) liegt im fortgeschrittenen Alter und bei Frauen höher [3]. Darüber hinaus stellen chronische Schmerzen eine hohe volkswirtschaftliche Belastung dar [4]. Eine evidenzbasierte und leitliniengerechte Versorgung [5] sieht bei einer langfristigen Opioidtherapie neben der medikamentösen Therapie auch komplementäre und interdisziplinäre Verfahren, wie Physio- oder Psychotherapie, vor. Wir nehmen an, dass eine interdisziplinäre Therapie zu insgesamt besseren Patientenoutcomes führt; dadurch wären mittel- bis langfristig geringere Ressourcenverbräuchen im Gesundheitswesen zu erwarten. Im Rahmen des Op-US Projekts (Opioidhaltige Analgetika – Untersuchung zu Entwicklungstrends in der Versorgung bei nicht-tumorbedingten Schmerzen) soll die Versorgungssituation in Deutschland näher analysiert werden. Ziel der vorliegenden Analyse ist die Erhebung der Prävalenz von Langzeit-Opioid-Anwendern bei CNTS, differenziert nach Alter und Geschlecht. Außerdem sollen die bislang kaum beschriebenen Ausgaben der GKV für diese Patientengruppe erhoben und Einflussfaktoren der Kosten identifizieren werden.

Methoden: Die Analyse basierte auf GKV-Routinedaten der DAK-Gesundheit mit 5,7 Millionen Versicherten. Die Selektion der Kohorte wurde im Zeitraum 01/2018-06/2019 durchgeführt. Selektionskriterien umfassten OA-Verordnungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen, Alter >17 Jahre und keine Hinweise auf Krebs oder palliative Versorgung. Eingeschlossene Versicherte wurden für zwei Jahre oder bis zum Tod nachbeobachtet. Wir berechneten alters- und geschlechtsspezifische Prävalenzen und führten eine direkte Alters- und Geschlechtsstandardisierung für die gesamte GKV-Versichertengemeinschaft durch. Darüber hinaus wurden die durchschnittlichen täglichen Ausgaben der Versicherung differenziert nach Leistungsbereichen berechnet und erneut eine direkte Standardisierung durchgeführt. Neben einem deskriptiven Überblick über Kostenunterschiede nach Altersgruppen und Geschlecht verglichen mit den Kosten der gesamten GKV-Population, wurde eine logistische Regression zur Identifikation von Einflussfaktoren auf die Kosten der selektierten Kohorte durchgeführt.

Ergebnisse: Die Kohorte umfasste 113.476 überwiegend weibliche (75%) Personen mit einem durchschnittlichen Alter von 72 Jahren. Die standardisierte Prävalenz betrug 1,82%. Die Prävalenz stieg kontinuierlich mit zunehmendem Alter, wobei insbesondere bei Frauen deutlich höhere Prävalenzraten zu verzeichnen waren (gut 10% der Frauen ≥ 90 Jahre). Die durchschnittlichen Kosten pro Tag betrugen 30€, die sich überwiegend aus stationärer Versorgung (42%), Medikamentenkosten (30%) und ambulanter Versorgung (13%) zusammensetzen. Über die Altersgruppen hinweg verliefen die Kosten der Kohorte recht stabil. Im Vergleich zur Gesamtpopulation der GKV lagen die Kosten in allen Altersgruppen höher; in jüngeren Altersgruppen deutlich. Die Kosten wurden besonders von Komorbiditäten beeinflusst. Komplementäre Interventionen der Schmerztherapie wiesen ebenfalls eine Odds Ratio > 1 auf.

Schlussfolgerung: Weitere Forschung sollte untersuchen, ob die hohe Prävalenz von CNTS im höheren Alter, insbesondere bei Frauen, mit einer evidenzbasierten Versorgung einhergeht oder ob es Hinweise für Fehlversorgung oder Überversorgung gibt. Jüngere Altersgruppen verursachen deutlich höhere Versicherungsausgaben im Vergleich zur gesamten GKV-Population. Kosten können insbesondere durch Komorbiditäten erklärt werden, wobei auch Elemente einer interdisziplinären Schmerztherapie mit eher erhöhten Kosten einhergehen, trotz angenommener besserer Patientenoutcomes. Zur besseren Abschätzung der durch OA verursachten Kosten, sollte künftige Forschung die Excess-Kosten der OA-Therapie in einer vergleichenden Erhebung analysieren.

Interessenkonflikte: Cordula Riederer ist bei der DAK-Gesundheit beschäftigt. Joachim Nadstawek (Vorsitzender) und Wolfgang Straßmeir sind Mitglieder des Bundesverbandes der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten für Schmerzmedizin und Palliativmedizin (BVSD e.V.). Die übrigen Autor:innen erklären, dass die Forschung in Abwesenheit jeglicher kommerzieller oder finanzieller Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.

Der Beitrag wurde bereits publiziert: 16. dggö Jahrestagung 2024, Halle (Saale) [6]


Literatur

1.
Glaeske G. Opioidreport 2022. 2022 [cited 2024 April 22]. Available from: https://www.hkk.de/fileadmin/dateien/allgemeines_uebergeordnet/reports/gesundheitsreports/2022_hkk_gesundheitsreport_opioide_web.pdf External link
2.
Verthein U, Buth S, Daubmann A, Martens M-S, Schulte B. Trends in risky prescriptions of opioid analgesics from 2011 to 2015 in Northern Germany. Journal of Psychopharmacology. 2020;34(11):1210-7.
3.
Mills SEE, Nicolson KP, Smith BH. Chronic pain: a review of its epidemiology and associated factors in population-based studies. Br J Anaesth. 2019;123(2):e273-e83.
4.
Langley PC. The societal burden of pain in Germany: Health-related quality-of-life, health status and direct medical costs. Journal of Medical Economics. 2012;15(6):1201-15.
5.
Häuser W. 2. Aktualisierung der S3 Leitlinie „Langzeitanwendungen von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS)”. Der Schmerz. 2020;34:204-44.
6.
Niemann A, et al. Kosten und Prävalenz von Versicherten mit Langzeitverordnungen opioider Analgetika bei chronischen nicht-tumor bedingten Schmerzen aus GKV-Perspektive. In: 16. dggö Jahrestagung; 4.-5. März 2024; Halle (Saale).