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Patienten- und Selbsthilfeorganisationen auf dem Weg zur Digitalisierung – Partizipationserfahrungen und -bedürfnisse aus Sicht der Mitglieder
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Published: | September 6, 2024 |
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Hintergrund: Patienten- und Selbsthilfeorganisationen (PO/SHO) nehmen im deutschen Gesundheitssystem eine bedeutende Rolle ein. Sie bieten ihren Mitgliedern diverse Unterstützungsangebote und vertreten deren Interessen. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen passen auch PO/SHO ihre Angebote und internen Strukturen zunehmend an diese Entwicklung an. Die partizipative Einbindung aller Mitglieder in die Gestaltung der digitalen Transformation könnte die Akzeptanz und Nutzung der digitalen Angebote von PO/SHO steigern. Ob und inwieweit aktuell beispielsweise die Bedürfnisse der Mitglieder erfasst werden oder sie aktiv in die Entwicklung, Testung oder Umsetzung eingebunden sind, ist allerdings unklar. Ein Ziel des Forschungsverbunds PANDORA ist es deshalb, das Ausmaß der bisherigen Partizipation in Digitalisierungsinitiativen von PO/SHO sowie das allgemeine Aktivierungspotenzial zur Beteiligung der Mitglieder zu untersuchen.
Methode: Durchgeführt wurde eine bundesweite, standardisierte Online-Befragung von Mitgliedern aller PO/SHO in Deutschland. Entwicklung und Testung des Fragebogens erfolgten in Zusammenarbeit mit dem Projektbeirat, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von fünf PO/SHO. Für die Rekrutierung der Studienteilnehmenden wurde auf Basis vorliegender Datenbanken eine Übersicht von n=300 PO/SHO in Deutschland erstellt. Diese wurden per E-Mail kontaktiert und gebeten, die Einladung zur Teilnahme unter ihren Mitgliedern zu verbreiten. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 8. August bis zum 20. November 2023. Die erhobenen Daten wurden mit SPSS 29 ausgewertet.
Ergebnisse: Insgesamt konnten 1334 Mitglieder von PO/SHO für die Teilnahme an der Online-Befragung gewonnen werden. Von diesen äußern 52 % ein grundsätzliches Interesse, in Digitalisierungsprojekte ihrer Organisationen eingebunden zu werden. Betrachtet man diese Gruppe der Befragten genauer, zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der Art der Partizipationsbereitschaft. An Umfragen würden sich 98 % dieser Gruppe beteiligen. Eine Mitarbeit in einem Mitgliederbeirat (53 %) oder die Übernahme von Entscheidungsbefugnissen (52 %) können sich weniger Personen vorstellen. Die Beteiligungsbereitschaft scheint zudem maßgeblich von spezifischen Rahmenbedingungen abzuhängen. So geben 95 % der grundsätzlich an Partizipation Interessierten an, dass die Relevanz des Digitalisierungsprojekts bzw. des zu entwickelnden digitalen Angebots eine wesentliche Voraussetzung für ihr Engagement wäre, gefolgt von der Bedeutung einer gleichberechtigten und respektvollen Zusammenarbeit (92 %) und dem Vertrauen in die eigene Kompetenz, einen guten Beitrag leisten zu können (91 %). Trotz des verbreiteten Interesses wurden bislang nur 24 % (n=299) aller 1334 befragten Mitglieder von ihren PO/SHO bezüglich eines Beteiligungsprozesses angefragt, von denen die Mehrheit (69 %) dieser Anfrage zustimmte. Die Befragten, die eine derartige Anfrage abgelehnt hatten (n=90), nennen Zeitmangel (70 %) und Unsicherheit hinsichtlich eigener technischer Kompetenzen (39 %) als Hauptgründe für ihre Entscheidung.
Diskussion: Die Befragungsergebnisse weisen darauf hin, dass ein grundlegendes Aktivierungspotenzial für die Beteiligung der Mitglieder von PO/SHO besteht, das von den Organisationen möglicherweise noch nicht vollständig ausgeschöpft wird. Bei der zukünftigen Gestaltung von Partizipationsstrukturen könnte es für PO/SHO hilfreich sein, diese an den individuellen Bedürfnissen der Mitglieder auszurichten. So deuten die Ergebnisse unter anderem darauf hin, dass Beteiligungsformen mit geringerem Verantwortungsgrad zwar bevorzugt werden, gleichzeitig aber auch ein Interesse an Rollen mit Entscheidungsbefugnissen besteht. Dies könnte durch die Bereitstellung verschiedener Partizipationsformen berücksichtigt werden, die es den Mitgliedern ermöglichen, Rollen gemäß ihren Präferenzen zu übernehmen. Darüber hinaus könnten zielgerichtete Schulungen dazu beitragen, die Kompetenzen der Mitglieder zu stärken, Unsicherheiten abzubauen und sie umfassend auf die Partizipation vorzubereiten.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.