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Kardiovaskuläre Risikoprävention in der hausärztlichen Versorgung durch die Steigerung des Selbstmangements von Patient*innen. Erste Ergebnisse der Cluster-randomisierten kontrollierten Studie DECADE
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Published: | September 6, 2024 |
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Hintergrund: Unzureichende Krankheitsprävention in Deutschland wird mit einer erhöhten Prävalenz kardiovaskulärer (CV) Erkrankungen, Mortalität und hohen Kosten für das Gesundheitssystem in Verbindung gebracht [1]. Hausärzt*innen können eine breite Bevölkerung für eine verhaltensbedingte Risikoprävention erreichen. Sie geben Zeitmangel, geringe Motivation der Patient*innen, teilweise geringe eigene Kompetenzen oder zu wenige angemessene Informationen/Tools als Gründe an, die einer adäquaten CV-Risikoberatung im Wege stehen [2]. Die Intervention DECADE soll durch patient*innenzentrierte, strukturierte hausärztliche Folgeberatungen inkl. des etablierten hausärztlichen CV-Risikorechners (http://www.arriba-hausarzt.de) und dem Einsatz von modularen Patient*innen-Materialien das gesundheitliche Selbstmanagement von Betroffenen unterstützen. In der DECADE-Pilotstudie wurden positive Ergebnisse der DECADE-Materialien auf die Patientenaktivierung (PAM13-D Score [3]) erzielt [4]. In der aktuellen standortübergreifenden DECADE-Studie (G-BA: 01VSF19021) werden die Effekte der DECADE-Teilinterventionen und deren Kombination untersucht. Die Datenerhebungen erfolgten zwischen November 2021 und März 2024.
Methoden: In eine cluster-randomisierte kontrollierte Studie mit 2x2 Design wurden in den Regionen Freiburg, Hamburg und Dresden Patient*innen mit lebensstilbedingten CV-Risikofaktoren aus 76 hausärztlichen Praxen eingeschlossen. Die Zuweisung der Praxen in einen von vier Studienarmen erfolgte mittels Blockrandomisierung. Die Kontrollgruppe (KG) entsprach der üblichen Versorgung plus der CV-Risikokalkulation zu Studienbeginn und Studienende; keine weiteren Vorgaben. Die Interventionsgruppen (IG) erhielten zusätzlich verschiedene Teile der DECADE-Interventionen: IG1: Patient*innen-Materialien (https://decade-studie.de/); IG2: Folgeberatungen; IG3: Patient*innen-Materialien und Folgeberatungen. Datenerhebungen: Patient*innen-Fragebögen zur Baseline t0, t1 nach 6 Monaten und t2 nach 12 Monaten; zwei Erhebungen klinischer Daten in den Praxen (t0, t2). Primärer Endpunkt ist die selbstberichtete Patient*innenaktivierung (PAM13-D Score) zu t1. Sekundäre Endpunkte sind u.a. der selbstberichtete Gesundheitsstatus (EQ-VAS), Veränderung des Gesundheitsverhaltens und klinische Parameter. Statistische Analysen: gemischte Modelle mit Messwiederholung (MMRM) und deskriptive Analysen [5].
Ergebnisse: Vollständig eingeschossen wurden N=777 Patient*innen. Der Anteil an Patientinnen zur Baseline liegt bei 53,9%, das mittlere Alter bei 56,4 Jahre (±10,5). 46,7% der Patient*innen haben einen BMI ≥30kg/m², 22,9% der Patient*innen rauchen. Zu t0 erhalten 57,4% der Patient*innen blutdrucksenkende Medikamente, der mittlerer systolische Blutdruck beträgt 135,1mmHg (±16,7). 92,2 % der Patient*innen haben zur Baseline zumindest teilweise die Absicht, gesundheitsbewusster leben zu wollen. Der mittlere PAM13-D Score (Skala 0-100) beträgt 83,4 Punkte (±9,2). Die Datenerhebungen sind abgeschlossen, der Datenrücklauf zu t2 übersteigt 85%. Die Ergebnisse der statistischen Analysen werden auf der Konferenz berichtet.
Schlussfolgerungen: Die DECADE-Intervention erreichte, trotz Pandemiebedingungen, eine ausreichende Zahl an hausärztlichen Praxen und Patient*innen. Der mittlere PAM13-D Score zu t0 liegt oberhalb der Erwartungen [3], aber unter dem Ausgangswert der Pilotstudie [4]. Das kann darauf hinweisen, dass viele Patient*innen länger hausärztlich betreut und zumindest über Lebensstilrisiken aufgeklärt sind. Dennoch lässt der hohe Anteil von Patient*innen mit Übergewicht, Rauchen usw. darauf schließen, dass bis vor Studienbeginn sinnvolle Verhaltensänderungen trotz insgesamt hoher Intention nicht erfolgreich umgesetzt wurden. Die Baselinedaten und der hohe Datenrücklauf sprechen für ein hohes Interesse und ein hohes Potenzial zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens und des Selbstmanagements. Die Effekte der DECADE-Teilinterventionen und der Vollintervention auf die Patientenaktivierung und auf sekundäre Outcomes werden auf der Konferenz berichtet.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Jasilionis D, van Raalte AA, Klusener S, Grigoriev P. The underwhelming German life expectancy. Eur J Epidemiol. 2023;38(8):839-50.
- 2.
- Hall LH, Thorneloe R, Rodriguez-Lopez R, Grice A, Thorat MA, Bradbury K, et al. Delivering brief physical activity interventions in primary care: a systematic review. Br J Gen Pract. 2022;72(716):e209-e16.
- 3.
- Brenk-Franz K, Hibbard JH, Herrmann WJ, Freund T, Szecsenyi J, Djalali S, et al. Validation of the German version of the patient activation measure 13 (PAM13-D) in an international multicentre study of primary care patients. PLoS One. 2013;8(9):e74786.
- 4.
- Tinsel I, Siegel A, Schmoor C, Poguntke I, Maun A, Niebling W. Encouraging Self-Management in Cardiovascular Disease Prevention. Dtsch Arztebl Int. 2018;115(27-28):469-76.
- 5.
- Tinsel I, Schmoor C, Borger M, Kamp M, Kaier K, Hardt H, et al. Encouragement of patients' self-management in primary care for the prevention of cardiovascular diseases (DECADE): protocol for a cluster randomised controlled trial. BMJ Open. 2023;13(4):e071230.