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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Psychosoziale Arbeitsbedingungen und depressive Symptomatik: Die Rolle der Gesamtexposition

Meeting Abstract

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  • Hermann Burr - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fachbereich Arbeit und Gesundheit, Berlin, Germany; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 602

doi: 10.3205/24gmds458, urn:nbn:de:0183-24gmds4588

Published: September 6, 2024

© 2024 Burr.
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Hintergrund: Die neuesten Reviews stimmen darin überein, dass psychosoziale Arbeitsbedingungen (z.B. Konstrukte wie Job Strain und Effort Reward Imbalance oder Einzeldimensionen wie hohe Arbeitsanforderungen, geringe Einflussmöglichkeiten und prekäre Beschäftigung) Risikofaktoren für depressive Symptome sein können.

Eine neue Publikation, basierend auf dem European Working Conditions Survey (EWCS), schätzt die attributablen Risiken für die Entstehung von depressiver Symptomatik bei job strain auf 17% in Europa (15% in Deutschland), bei Effort Reward Imbalance (ERI) auf 6% (4 % in Deutschland), sowie auf 9% (5 % in Deutschland) bei Arbeitsplatzunsicherheit [1].

Soweit wir wissen, gibt es keine Schätzungen des attributablen Risikos bei psychosozialen Arbeitsbedingungen als Ganzes. Es stellt sich die Frage nach der Gesamtwirkung ungünstiger psychosozialer Arbeitsbedingungen auf die Entstehung depressiver Symptomatik.

Methode: Unter Betrachtung der Kohorte deutscher sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Rahmen der S-MGA 2012-2017 (n=1,678) schlossen wir eine Reihe unterschiedlicher Arbeitsanforderungen (Umstrukturierungen am Arbeitsplatz, Entlassungen im Arbeitsumfeld, Arbeitstempo und Arbeitsmenge) sowie Ressourcen (Einfluss bei der Arbeit, Entwicklungsmöglichkeiten, Kontrolle über die Arbeitszeit und Rollenklarheit) ein [2].

Die Items der Dimensionen Umstrukturierungen und Entlassungen entnahmen wir dem deutschen BiBB-/ BAuA-Instrument [3], die Items für die verbleibenden Arbeitsfaktoren dem deutschen COPSOQ-1-Instrument [4].

Wir kombinierten sämtliche Anforderungen und Ressourcen in zwei separate Indizes und klassifizierten diese in Quartile. Depressive Symptomatik wurde über den PHQ-9-Fragebogen ermittelt und es wurde ein Cutoff von ≥ 10 genutzt [5]. Regressionsanalysen wurden durchgeführt mit depressiven Symptomen als abhängige und den Anforderungs-Ressourcen-Indizes entsprechend als unabhängige Variablen. Die Regressionsanalysen wurden angepasst für Geschlecht, Alter (in Jahren, linear), Alter (quadriert) und Berufslevel (kategorisch). Alle Teilnehmer mit arbeitsbezogener emotionaler Erschöpfung und/ oder Depression zur Ersterhebung wurden ausgeschlossen.

Ergebnisse: Das prospektive Risiko depressiver Symptomatik bei mittleren bis hohen Anforderungen (2. bis 4. Quartile) betrug 1.25 (95%CI 0.74-2.11), während dieses bei mittleren bis niedrigen Ressourcen (1. bis 3. Quartile) 1.65 (0.95-2.87) betrug. Das attributable Risiko depressiver Symptomatik bei mittleren bis hohen Anforderungen und mittleren bis niedrigen Ressourcen lag bei 16% beziehungsweise 32%.

Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das attributable Risiko für die Entstehung depressiver Symptomatik durch psychosoziale Arbeitsbedingungen nicht unerheblich ist, wenn man davon ausgeht, dass die gefundenen Zusammenhänge kausal sind. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass das attributable Risiko für depressive Symptomatik besonders bei fehlenden Ressourcen bedeutsam ist. Diese Schätzungen könnten durch Einbezug zusätzlicher Faktoren wie prekäre Beschäftigung, emotionale Anforderungen, Führungsqualität, Vertrauen und Gerechtigkeit erweitert werden. Wir planen eine Erweiterung der Analysen mittels Daten der 3. Welle S-MGA, die eine bessere statistische Power ermöglicht.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Niedhammer I, Sultan-Taïeb H, Parent-Thirion A, Chastang JF. Update of the fractions of cardiovascular diseases and mental disorders attributable to psychosocial work factors in Europe. International archives of occupational and environmental health. 2021:1-15.
2.
Rose U, Schiel S, Schroder H, Kleudgen M, Tophoven S, Rauch A, et al. The Study on Mental Health at Work: Design and sampling. Scandinavian journal of public health. 2017;45(6):584-94.
3.
Hall A, Siefer A, Tiemann M. BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 – Arbeit und Beruf im Wandel, Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen [BIBB/BAuA Employee Survey 2006 - Work and occupations in transition, acquisition and utilization of professional qualifications]. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung; 2007.
4.
Lincke HJ, Vomstein M, Lindner A, Nolle I, Häberle N, Haug A, et al. COPSOQ III in Germany: validation of a standard instrument to measure psychosocial factors at work. Journal of occupational medicine and toxicology. 2021;16[1]:50.
5.
Löwe B, Spitzer RL, Gräfe K, Kroenke K, Quenter A, Zipfel S, et al. Comparative validity of three screening questionnaires for DSM-IV depressive disorders and physicians' diagnoses. Journal of affective disorders. 2004;78[2]:131-40.