Article
Frühe Hilfen und Gesundheit: Befunde und Methodische Grenzen
Search Medline for
Authors
Published: | September 6, 2024 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: Sozioökonomisch benachteiligte Kinder weisen ein höheres Risiko für Entwicklungsverzögerungen und Erkrankungen auf. In kommunalen „Netzwerken Frühe Hilfen“ werden medizinische und nicht-medizinische Angebote aus unterschiedlichen Sozialsystemen koordiniert und den Familien niedrigschwellig zur Verfügung gestellt. Die Angebote sind entweder universell für alle oder selektiv für Familien mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Die Wirksamkeit von Frühen Hilfen ist bisher wenig nachgewiesen. Mit den Schuleingangsuntersuchungen stehen entwicklungs- und gesundheitsbezogene Routinedaten der Einschulungskinder zur Verfügung. Die vorliegende Arbeit untersucht deshalb, ob sich Zusammenhänge zwischen der Inanspruchnahme Früher Hilfen und der kindlichen Entwicklung bzw. dem kindlichen Impfstatus in diesen Daten beobachten lassen. Auf dieser Basis möchten wir zudem diskutieren, inwiefern die Schuleingangsuntersuchung genutzt werden kann, um die Wirkung universeller und selektiver Früher Hilfen zu beurteilen.
Methoden: Die Arbeit basiert auf den Daten der retrospektiven Kohortenstudie „Gesundheit bei Schuleingang“. Hierbei wurden Untersuchungsdaten von Schulneulingen mit Elternangaben zur Nutzung von Präventionsangeboten kombiniert. Es wurden drei Angebote der Frühen Hilfen untersucht: Elternbildung (universelles Angebot), Zukunft für Kinder und Kita-Eingangsuntersuchung (beide selektiv). Als Indikatoren der kindlichen Entwicklung wurden die altersgemäße Entwicklung mit fünf Jahren bei U9-Untersuchung und der vollständige Impfschutz bei Schuleingang gewählt. Als potentielle Confounder wurden die elterliche Bildung, der Familienstatus (Alleinerziehende/Zweielternfamilien), der Belastungsgrad des Sozialraumes der Wohnadresse sowie Belastungen bei Geburt einbezogen. Um Verzerrungen in der Effektschätzung durch eine selektive Inanspruchnahme der frühen Hilfen auszugleichen, wurden mittels Propensity-Score-Matching entlang der beschriebenen Confounder vergleichbare Gruppen gebildet.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer altersgemäßen Entwicklung (Coef.: 0,053; 95%KI 0,026-0,08) und eines vollständigen Impfschutzes (Coef.: 0,056; 95%KI 0,027-0,083) bei Kindern, deren Eltern an Angeboten zur Elternbildung teilgenommen haben. Kinder, die an Kita-Eingangsuntersuchungen oder an Zukunft für Kinder teilgenommen hatten, unterschieden sich hinsichtlich der altersgemäßen Entwicklung oder des Impfschutzes nicht von den Nichteilnehmenden.
Diskussion: Der positive Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Angeboten der Elternbildung und der kindlichen Entwicklung bzw. dem Impfstatus könnte als Hinweis auf die Wirksamkeit dieser Angebote interpretiert werden. Plausibel scheint jedoch auch, dass Eltern, die solche Kurse besuchen, auch sonst mehr zu einer gesunden Entwicklung ihrer Kinder beitragen. Es wurden nicht alle möglicherweise relevanten Confounder in der Elternbefragung erheben. Das Fehlen eines Zusammenhangs bei den selektiven Angeboten (Zukunft für Kinder, Kita-Eingangsuntersuchung) und der kindlichen Entwicklung bzw. dem Impfstatus muss nicht unbedingt für eine Wirkungslosigkeit dieser Angebote sprechen. Da diese Angebote sich an Familien in besonders schwierigen Lebenslagen richten, könnte ein fehlender Gruppenunterschied auch für ein „Aufholen“ der teilnehmenden Kinder sprechen. Auf Basis der Daten kann die Lebenslage der Familien nicht vollständig abgebildet werden. Die Auswahl belasteter Familien bei selektiven Angeboten ist eine Herausforderung für die wissenschaftliche Herangehensweise.
Trotz des innovativen Ansatzes des Propensity-Score-Matching bleibt der Wirkungsnachweiß von Frühen Hilfen im Rahmen von Schuleingangsuntersuchungen schwierig, da nur entlang von beobachteten Confoundern vergleichbare Gruppen gebildet werden können.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.