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Methodische Überlegungen, Grundlagenarbeiten und Herausforderungen des kleinräumigen Ansatzes in der abwasserbasierten Epidemiologie
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Die Identifizierung intra-urbaner gesundheitlicher Ungleichheiten erfordert eine umfassende Daten- und Informationsbasis, die auf kleinräumiger Ebene bislang unzureichend ist [1]. Abwasser ist ein innovatives Informationsmedium, um gesundheitsrelevante Parameter auf Bevölkerungsebene zu gewinnen [2]. Die bisherigen Analysen von Abwässern aus Kläranlagen erlaubt jedoch keine kleinräumige Differenzierung innerhalb des Abwassersystems, Die feinere räumliche Auflösung der Abwasserprobenahme im Kanalnetz eröffnet neue Anwendungs- und Forschungsmöglichkeiten, erfordert aber ein umfassenderes Verständnis des lokalen Kanalnetzes und der kleinräumigen Teileinzugsgebiete [3]. Der Beitrag soll exemplarisch aufzeigen, (i) welche methodischen Überlegungen und Herausforderungen der kleinräumige Ansatz in der abwasserbasierten Epidemiologie mit sich bringt und (ii) welche Grundlagenarbeiten notwendig sind.
Methoden: Das Untersuchungsgebiet umfasst 15 Städte im Ruhrgebiet. Für fünf Kläranlageneinzugsgebiete wurden spezifische Kanalnetzdaten gesichtet und aufbereitet und darauf aufbauend Kanalnetzwerke erstellt. Zusätzlich wurden für vier Kläranlagen die Begleitparameter Abwassertemperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit und Durchfluss sowie meteorologische Daten wie Niederschlag und Umgebungstemperatur erhoben.
Im Untersuchungsgebiet wurden raum- und bevölkerungsbezogene Variablen erhoben und harmonisiert. Die raumbezogenen Variablen umfassen Faktoren der bebauten Umwelt, Landnutzung und institutionelle Einrichtungen wie Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Verkehrsknotenpunkte. Die bevölkerungsbezogenen Variablen umfassen Bevölkerungszahl, Altersstruktur, kulturelle Variablen und wirtschaftliche Parameter. Die Informationen aus den verschiedenen Quellen wurden zusammengeführt und qualitätsgeprüft. Da die Grenzen der Teileinzugsgebiete und der kleinräumigen Untereinheiten der Städte nicht deckungsgleich sind, muss die sozialräumliche Situation in den Teileinzugsgebieten geschätzt werden. Hierzu wurden Untereinheiten einer Stadt mit den Teileinzugsgebieten verschnitten. Anhand der Anzahl der Wohngebäude im verschnittenen Gebiet wurde der relative Beitrag jeder kleinräumigen Untereinheit zur Gesamtschätzung der sozialräumlichen Situation des jeweiligen Teileinzugsgebiets ermittelt.
Ergebnisse: Die Einzugsgebiete der fünf Kläranlagen lassen sich in 197 Teileinzugsgebiete untergliedern. Mit Hilfe von Systemplänen wurden Kanalnetzwerke erstellt, die Aufschluss über die Fließrichtung und den Aufbau des Abwassersystems geben. Darüber hinaus liegen Informationen über den Abfluss, die Art des Systems und die Zusammensetzung des Abwassers vor. Die Analyse der Begleitparameter und der meteorologischen Daten ergab systematische Unterschiede zwischen den Kläranlagen, die wiederum die Messung der gesundheitsrelevanten Parameter beeinflussen können, was bei einer geo-epidemiologischen Datenanalyse berücksichtigt werden muss.
Die 15 Städte lassen sich in 511 kleinräumige Verwaltungseinheiten unterteilen. Neben der Schätzung bevölkerungsbezogener Parameter für die 197 Teileinzugsgebiete wurden relevante Informationen wie Anzahl der Personen bzw. Planbetten und Öffnungszeiten für 4,155 institutionelle Einrichtungen erhoben. Zusätzlich stehen die Geodaten dieser Einrichtungen zur Verfügung.
Zu den Herausforderungen gehören die begrenzte Verfügbarkeit von Daten, z.B. über die Mobilität der Bevölkerung, und die Zugänglichkeit der Daten, insbesondere bei einer feineren räumlichen Granularität. Darüber hinaus erschweren der Mangel an georeferenzierten Daten und die fehlende Übereinstimmung von Grenzen die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen.
Schlussfolgerung: Die umfassende Charakterisierung der Teileinzugsgebiete anhand von räumlichen Merkmalen, bevölkerungsbezogenen Parametern und Abwassersystemdaten ist aufwendig und erfordert eine Vielzahl von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Sie ist jedoch die wesentliche Grundlage für ein umfangreiches Verständnis und den Aufbau einer innovativen Datenbasis zum Gesundheitszustand der Zielpopulation auf kleinräumiger Ebene.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Berlin; 2016. Verfügbar unter: https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/der-umzug-der-menschheit-die-transformative-kraft-der-staedte
- 2.
- Singer AC, Thompson JR, Mota Filho CR, Street R, Li X, Castiglioni S, Thomas KV. A world of wastewater-based epidemiology. Nature Water. 2023;1(5):408-415. DOI: 10.1038/s44221-023-00083-8
- 3.
- Schmiege D, Haselhoff T, Thomas A, Kraiselburd I, Meyer F, Moebus S. Small-scale wastewater-based epidemiology (WBE) for infectious diseases and antibiotic resistance: A scoping review. International Journal of Hygiene and Environmental Health. 2024;259:114379. DOI: 10.1016/j.ijheh.2024.114379