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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Erhebungsmöglichkeiten des räumlichen Zugangs zu ausgewählten Versorgungsangeboten der spezialisierten Palliativversorgung in Deutschland

Meeting Abstract

  • Theresa Petzold - Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
  • Maximiliane Jansky - Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
  • Christian Banse - Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
  • Tim Friede - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Statistik, Göttingen, Germany
  • Friedemann Nauck - Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
  • Jobst Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 647

doi: 10.3205/24gmds388, urn:nbn:de:0183-24gmds3887

Published: September 6, 2024

© 2024 Petzold et al.
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Text

Einleitung: Der räumliche Zugang gilt als wichtiger Faktor zur Einschätzung der Versorgungssituation und als Indikator für die Versorgungsqualität von Gesundheitsleistungen. Zentrale Bestandteile sind die Dimensionen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit. Besonders im Rahmen der palliativen Versorgung kann die Überwindung räumlicher Distanzen für schwerstkranke und sterbende Patient*innen und An- und Zugehörige belastend sein. Ziel dieser Studie ist die Untersuchung des räumlichen Zugangs zu ausgewählten Versorgungsangeboten der spezialisierten Palliativversorgung (Palliativstationen, Hospize, SAPV-Standorte) für erwachsene Patient*innen in Deutschland. Angewandt werden dabei verschiedene Methoden zur Darstellung des Zugangs.

Methoden: Die Versorgungsstandorte spezialisierter Palliativversorgung wurden anhand einer nationalen Selbstauskunftsdatenbank, ergänzt durch die Listen der Landesverbände, identifiziert. Angebots-Einwohner-Verhältnisse (Verfügbarkeit auf Landkreisebene) und maximale Einzugsbereiche der Versorgungsstandorte (Erreichbarkeit als Pkw-Fahrzeit) wurden als eindimensionale Indikatoren angewandt. Die Enhanced Two-Step Floating Catchment Area Methode (E2SFCAM) ermöglicht es, einen Zugangsindex auf Gemeindeebene unter Berücksichtigung beider Dimensionen des räumlichen Zugangs zu berechnen. Ein maximaler Einzugsbereich von 30 min Fahrzeit mit dem Pkw wurde festgelegt. Es wurden zwei Distanzgewichtungsfunktionen (schwach und stark) verwendet. Die Ergebnisdarstellung erfolgt anhand von Quintilen und der Zuordnung der Gemeinden zu dem Stadt- und Gemeindetyp des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Großstädte, Mittelstädte, usw.). Alle Berechnungen wurden mit dem GIS-Programm ArcGis Pro (Esri, Redlands) durchgeführt. Neben den geocodierten Standorten inkl. potenzieller Bettenkapazitäten gingen Straßendaten und Bevölkerungsdaten in die Berechnungen ein.

Ergebnisse: Die Versorgungsangebote der aktuell 384 Palliativstationen, 295 Hospize und 466 SAPV-Standorte wurden für die Berechnung des räumlichen Zugangs zur ambulanten, sowie stationären spezialisierten Palliativversorgung aufgenommen. Die Ergebnisse der verschiedenen zur Operationalisierung des räumlichen Zugangs genutzten Indikatoren fallen unterschiedlich aus. Aufgrund der Orientierung an administrativen Grenzen bei den Angebots-Einwohner-Verhältnissen hat hier ein hoher Anteil der Einwohner in den Landkreisen beispielsweise keinen Zugang zu Palliativstationen (40 %), Hospizen (47 %) und SAPV-Teams (30 %). Bei eindimensionaler Betrachtung der Erreichbarkeit im Sinne der Fahrzeit mit dem Pkw erreichen 94% der Bevölkerung die nächstgelegene Palliativstation innerhalb von 30 min (Hospize 92 %, SAPV 93 %). Bei Anwendung der E2SFCAM weisen 59 % der Großstädte einen Zugangsindex im obersten bzw. zweitobersten Quintil auf (Beispiel Palliativstationen). Lediglich bei 1 % der Gemeinden liegt der Zugangswert unter dem Durchschnitt. Mit zunehmender Ländlichkeit steigt der Anteil an Gemeinden ohne Zugang in 30 min an. Die Anwendung der stärkeren Gewichtung führt besonders bei den Großstädten zu deutlichen Veränderungen des Zugangsindex.

Schlussfolgerungen: Die Untersuchungen zeigen, dass verschiedene Indikatoren zur Operationalisierung des räumlichen Zugangs unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Klassische Indikatoren haben aufgrund der eindimensionalen Betrachtung des räumlichen Zugangs limitierte Aussagekraft. Durch die deutschlandweit erstmalig zur Untersuchung des Zugangs zu spezialisierten Palliativversorgung angewandte E2SFCA-Methode konnte gezeigt werden, dass diese umsetzbar ist und damit zur Verbesserung der Planung von Angeboten der spezialisierten Palliativversorgung eingesetzt werden kann. Eine Stärke der Methodik ist die Berücksichtigung von Aspekten der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie regionaler Abhängigkeiten über administrative Grenzen hinweg. Aufgrund des demographischen Wandels und steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung wird ein zunehmender Bedarf an palliativmedizinischer Versorgung vorausgesagt. Vor dem Hintergrund möglicher zukünftiger Veränderungen in der ambulanten und stationären Versorgungsdichte sollten Gebiete mit keinem oder schlechtem Zugang in Zukunft auch unter Einbeziehung der Betroffenen eingehender untersucht werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.