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Depressive Symptomatik in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands: Trends 2009–2023 mit Survey-Daten des RKI-Gesundheitsmonitorings
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Published: | September 6, 2024 |
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Hintergrund: Depressive Störungen sind weit verbreitet und mit einer hohen individuellen und gesellschaftlichen Krankheitslast verbunden. Als Evidenzgrundlage für die Public Health Praxis sollte Public Health Surveillance daher regelmäßige Informationen zu Entwicklungen in der Prävalenz von Depressionen und ihren konstituierenden Symptomen in der Bevölkerung liefern. In der Belastung durch zwei Kernsymptome depressiver Störungen zeigten sich zwischen 2019 und 2023 deutliche Zunahmen unter Erwachsenen in Deutschland [1], [2]. Dieser Beitrag zeigt gemäß eines Screenings von acht Depressionssymptomen entsprechende Trends in der Prävalenz einer depressiven Symptomatik und ordnet diese in längere Zeitreihen ab 2009 ein.
Methoden: Analysiert wurden Daten der Allgemeinbevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren aus bevölkerungsrepräsentativ angelegten Surveys des RKI-Gesundheitsmonitorings (DEGS 2009-11, GEDA-EHIS 2014-15, GEDA-EHIS 2019-20 bis Pandemiebeginn, GEDA-EHIS 2020 ab Pandemiebeginn, GEDA 2021, 2022, 2023). Das Vorliegen einer depressiven Symptomatik wurde mit dem etablierten Cutoff der acht-Item-Version des Gesundheitsfragebogens für Patienten (PHQ-8 ≥ 10, Wertebereich 0-24) bestimmt, der mit einer Ausnahme alle DSM-Kriterien einer Majoren Depression abfragt [3]. Zusätzlich wurden Bevölkerungsanteile mit besonders starker Symptombelastung (PHQ-8 ≥ 15) sowie Einzelsymptome betrachtet. PHQ-8-Angaben liegen je Beobachtungszeitraum von zwischen n = 4.337 bis n = 12.450 Teilnehmenden vor. Stratifiziert wurde nach Geschlecht, Alter und Bildung sowie nach Geschlecht x Alter und Geschlecht x Bildung. Prävalenzschätzer samt 95%-Konfidenzintervallen (KI) wurden gewichtet nach Geschlecht, Alter, Bildung und Region sowie geschlechts- und altersstandardisiert nach der europäischen Standardbevölkerung von 2013. Nach einer deskriptiven Auswertung der graphischen Zeitreihen wurde per Joinpoint-Regression nach einem möglichen Trendveränderungszeitpunkt gesucht. Mit logistischen Regressionsmodellen und linearen Splines für die Zeit wurden Steigungen vor und nach dem identifizierten Veränderungspunkt getestet und miteinander verglichen. Außerdem wurden Steigungen nach dem Veränderungspunkt zwischen Bevölkerungssubgruppen kontrastiert.
Ergebnisse: Sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch in den betrachteten Bevölkerungsgruppen zeigt sich 2009-2023 eine Prävalenzzunahme der depressiven Symptomatik. Dabei erwies sich in der Joinpoint-Regression das Jahr 2020 als Trendveränderungspunkt. Die Modellierung mit linearen Splines ergab einen signifikanten Unterschied zwischen den Trends von 2009 bis 2020 und 2020 bis 2023. Zunächst stieg die standardisierte Prävalenz von 7.4 % [95%-KI: 6.5 %; 8.3%] 2009-2011 auf 9.9 % [9.4%; 10.5%] 2014-2015 an, ging bis 2020 jedoch zurück zum Ausgangsniveau. Zwischen 2020 und 2023 zeigt sich dann ein deutlicher Anstieg auf über alle zuvor beobachteten Werte hinaus mit einer standardisierten Prävalenz von 14.8% [13.5%; 16.1%] in 2023. Auch eine depressive Symptomatik höheren Schweregrades trat häufiger auf (2009-2011: 1.6% [1.2%; 2.1%]; 2019-2020: 3.1% [2.6%; 3.8%]; 2023: 4.7% [3.9%; 5.6%]), sowie alle Einzelsymptome bis auf das verminderte Selbstwertgefühl. Neben diesen Ergebnissen werden Trendvergleiche zwischen Bevölkerungsgruppen nach Geschlecht, Alter und Bildung präsentiert.
Diskussion: Die Prävalenz der depressiven Symptomatik hat zwischen 2020 und 2023 in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands gegenüber dem Zeitraum 2009 bis 2020 deutlich zugenommen. Trotz methodischer Einschränkungen durch Wechsel im Surveydesign vor 2019 verstärken diese Ergebnisse basierend auf längeren Zeitreihen und einer umfänglicheren Erfassung depressiver Symptome die vorhergehende Evidenz [1,2] für eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung vor dem Hintergrund multipler kollektiver Krisen. Neben Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der psychischen Bevölkerungsgesundheit ist angesichts dieser Entwicklungen eine weitere Beobachtung erforderlich.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Mauz E, Walther L, Junker S, Kersjes C, Damerow S, Eicher S, et al. Time trends in mental health indicators in Germany's adult population before and during the COVID-19 pandemic. Front Public Health. 2023;11:1065938. DOI: 10.3389/fpubh.2023.1065938
- 2.
- Walther L, Junker S, Thom J, Holling H, Mauz E. High-frequency surveillance of mental health indicators in the adult population of Germany: Trends from 2022 to 2023. Dtsch Arztebl Int. 2023;120(43):736-7. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0180
- 3.
- Kroenke K, Strine TW, Spitzer RL, Williams JB, Berry JT, Mokdad AH. The PHQ-8 as a measure of current depression in the general population. J Affect Disord. 2009;114(1-3):163-73. DOI: 10.1016/j.jad.2008.06.026