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Ungewollte Schwangerschaften im Kontext von Gewalt in Paarbeziehungen – Herausforderungen für eine interdisziplinäre Versorgung
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Published: | September 6, 2024 |
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Gewalt in Paarbeziehungen gegen Frauen (GiP) stellt ein weitreichendes Problem für die globale öffentliche Gesundheit dar, welches mit zahlreichen gesundheitlichen und psychosozialen Folgen sowie Menschenrechtseinschränkungen für die Betroffene einhergeht. Die Studie „Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren – Angebote der Beratung und Versorgung vulnerabler Gruppen“ (ELSA-VG) untersucht die Zusammenhänge zwischen der vulnerablen Lebenssituation von ungewollt Schwangeren, die Partnergewalt erlitten haben, sowie ihre Versorgungssituation.
Innerhalb eines Mixed-Method-Designs wurden in 2021 Frauen über verschiedene Zugänge für die Befragung rekrutiert. Zum einen wurden über das Einwohnermeldeamtsregister zufällig Frauen mit Kindern unter sechs Jahren ausgewählt. Zum anderen wurde eine – statistisch nicht repräsentative – Stichprobe von 662 Frauen mit Schwangerschaftsabbruch befragt, die u.a. über Arztpraxen, Beratungsstellen oder Social Media zu der Befragung eingeladen wurden. Basierend auf einem quantitativen Sample von n = 5.101 wurden uni-, bi- und multivariate Analysen durchgeführt, um die Lebenssituation und Bedarfe in der Schwangerschafts(abbruchs)versorgung von Frauen mit und ohne Vulnerabilitätsmerkmal GiP zu vergleichen.
Insgesamt berichteten 333 Frauen (6,5% des Gesamtsamples) mindestens einer Form der Gewalt durch den Partner. Innerhalb der Einwohnermeldeamtstichprobe war die relative Chance für Frauen mit GiP vs. Frauen ohne GiP für eine ungewollte Schwangerschaft 5,6-fach und für einen Schwangerschaftsabbruch 3,2-fach erhöht. Die Betroffenen berichteten häufiger, dass die Schwangerschaft das Ergebnis von erzwungenem Sex war. Unabhängig vom Ausgang der Schwangerschaft wurde bei Frauen mit GiP, die ungewollt schwanger waren, ein signifikant schlechterer psychischer Gesundheitszustand vor, während und nach der Schwangerschaft festgestellt. Sie berichteten signifikant häufiger von Schuld- und Schamgefühlen, Selbstvorwürfen und Ängsten in den ersten Wochen nach der Feststellung der Schwangerschaft. Im Kontext der Schwangerschaftsfeststellung erhielten sie häufiger ungebetene Informationen durch das behandelnde medizinische Personal, insbesondere zu Geburt und Kindsabgabe.
Die Ergebnisse indizieren einen erhöhten Sensibilisierungsbedarf für die Situation von Frauen in gewaltgeprägten Beziehungen. In der interdisziplinären Versorgung ungewollt Schwangerer sollten ihre Bedarfe insbesondere in der ärztlichen Gesprächsführung, Anamnese sowie der Weitervermittlung an adäquate Unterstützungsangebote mehr Beachtung finden. Dabei spielen Gesundheitsfachkräfte eine Schlüsselrolle, da eine adäquate Versorgung einen wesentlichen Beitrag zur Prävention von Gewalt im Kontext der Partnerschaft sowie bei der Vorbeugung sekundärer psychosozialer und medizinischer Folgen leisten kann.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.