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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Sozioökonomische Determinanten depressiver Symptomatik (PHQ-8) – eine Mehrebenenanalyse mit Daten der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2019/2020-EHIS)

Meeting Abstract

  • Lina Wollgast - Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Julia Waldhauer - Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Christina Kersjes - Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Claudia Hövener - Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Niels Michalski - Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 617

doi: 10.3205/24gmds263, urn:nbn:de:0183-24gmds2631

Published: September 6, 2024

© 2024 Wollgast et al.
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Text

Einleitung: Für Deutschland wurde vielfach gezeigt, dass Männer und Frauen mit niedrigen sozioökonomischen Positionen (SEP) ein höheres Risiko für psychische Störungen aufweisen als Personen mit höheren SEP. Internationale Studien zeigen zudem, dass dieser Zusammenhang je nach Grad der regionalen sozioökonomischen Benachteiligung variiert, weil kollektive Ressourcen in der Wohnregion als Schutzfaktoren der psychischen Gesundheit gelten. Der vorliegende Beitrag analysiert Unterschiede im Risiko für depressive Symptomatik nach regionaler sozioökonomischer Deprivation und untersucht erstmals für Deutschland ob und inwiefern sozioökonomische Unterschiede in depressiver Symptomatik vom Ausmaß sozioökonomischer Deprivation in der Wohnregion abhängen.

Methoden: Daten aus der GEDA-Studie zum Vorliegen einer depressiven Symptomatik (PHQ-8) aus den Jahren 2019/2020 mit 21.876 Befragten wurden analysiert. Die individuelle sozioökonomische Position wurde über das Bildungsniveau nach CASMIN und über das bedarfsgewichtete Nettoäquivalenzeinkommen gemessen. Das Ausmaß regionaler sozioökonomische Deprivation der Wohnregion wurde mit dem „German Index of Socioeconomic Deprivation“ (GISD) gemessen, der Informationen zur Bildung, Beruf und Einkommen der Bevölkerung zusammenfasst. Die GISD-Werte der Kreise wurden in drei Kategorien (niedrig, mittel und hoch depriviert) eingeteilt und über die Kreiskennziffer des Wohnortes an die Individualdaten angespielt. Logistische Mehrebenenmodelle wurden geschätzt, um die Zusammenhänge zwischen sowohl SEP als auch regionaler sozioökonomischer Deprivation mit einer depressiven Symptomatik (PHQ-8 Werte ≥10) zu schätzen, für individuelle und regionale Kovariaten zu adjustieren und die Clusterung der Befragten in Kreisen und kreisfreien Städten zu berücksichtigen. Anschließend wurden Cross-Level-Interaktionen geschätzt, um zu prüfen, ob die Stärke der SEP-Effekte mit dem Grad der regionalen sozioökonomischen Deprivation variiert. Zur Veranschaulichung wurden vorhergesagte Prävalenzen auf Grundlage der adjustierten Modelle berechnet und dargestellt.

Ergebnisse: Die Ergebnisse bestätigen bereits bekannte Bildungs- und Einkommensgradienten in der Prävalenz depressiver Symptomatik. Darüber hinaus bestehen signifikante Unterschiede nach regionaler sozioökonomischer Deprivation auch unter Kontrolle der individuellen SEP-Variablen. Personen, die in Regionen mit hoher sozioökonomischer Deprivation wohnen, weisen eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer depressiven Symptomatik auf als Personen, die in Regionen mit moderater (OR=1,31, 95%KI 1.01.-1.70) oder niedriger (OR=1,81, 95%KI 1.29-2.56) sozioökonomischer Deprivation wohnen. Modelle mit Cross-Level Interaktionen bezeugen, dass die SEP-Unterschiede im Depressionsrisiko mit höherem Niveau sozioökonomischer Deprivation der Wohnregion ansteigen. Entsprechende Muster zeigen sich sowohl für Bildung als auch für das Einkommen, wenngleich die Unterschiede für Bildung etwas schwächer ausfallen. Ein besonders hohes Risiko tragen Personen mit niedriger SEP aus sozioökonomisch hoch deprivierten Regionen.

Diskussion: Regionale sozioökonomische Benachteiligung ist ein in Deutschland bisher wenig beachteter Risikofaktor für die psychische Gesundheit. Die Analysen bestätigen internationale Studien, die stärkere sozioökonomische Gradienten in Regionen mit höherer sozioökonomischer Deprivation gefunden haben, auch für Deutschland. Als Ursache hebt die Literatur schlechtere objektive Lebensbedingungen in der materiellen (z.B. schlechtere Infrastruktur, Mangel an Grünflächen) und sozialen Umwelt (z.B. Kriminalität, geringerer sozialer Zusammenhalt) hervor, die in sozioökonomisch benachteiligten Regionen häufiger auftreten. Diese verstärken das ohnehin höhere Risiko für Personen mit niedrigem SEP nochmals. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise auf Risikogruppen

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.