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Klinische Anforderungen an kontinuierliches Vitalzeichenmonitoring auf Normalstationen: Eine qualitative Interviewstudie
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: In der normalstationären Versorgungsroutine in Krankenhäusern werden die Vitalzeichen von Patient:innen in regelmäßigen Zeitabständen durch Pflegekräfte erfasst. Die arbeitsintensive, häufig manuelle Erfassung der Vitalparameter dient der Detektion physiologischer Messwerte, deren Abweichung außerhalb definierter Grenzwerte auf eine Komplikation im Genesungsprozess hinweisen könnte. Technologien, die mithilfe von Wearables und Schnittstellen zum Krankenhausinformationssystem kontinuierliche Vitalzeichenerhebungen (teil-) automatisiert durchführen und dokumentieren, könnten diesen Prozess in Zukunft verändern [1]. Die nachhaltige Implementierung von digitalen Technologien in klinische Settings hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab und kann zu tiefgreifenden Veränderungen in Tätigkeitsprofilen und Arbeitsabläufen führen [2], [3]. Ziel der Studie war es, die Erwartungen von Ärzt:innen verschiedener Disziplinen mit normalstationärer Versorgung eines Universitätsklinikums an kontinuierliche, minimal-invasive Monitoringtechnologien hinsichtlich möglicher Anwendungsfälle und des erwarteten klinischen Nutzens zu erheben. Des Weiteren sollten mögliche Herausforderungen bei der Implementierung dieser Technologien untersucht werden.
Methoden: Im Rahmen der Studie (EA4_218_20, Votum der Ethikkommission der Charité – Universitätsmedizin Berlin) wurden semistrukturierte Interviews mit Ärzt:innen verschiedener Disziplinen mit normalstationärer Versorgung durchgeführt. Der Interviewleitfaden wurde in Fokusgruppen innerhalb eines interdisziplinären Projektteams zum Thema Vitalzeichenmonitoring erstellt und in einem Pilotinterview getestet. Die Interviews wurden zwischen Dezember 2022 und Januar 2023 durchgeführt, anschließend transkribiert und mithilfe eines abduktiven Ansatzes analysiert. Für die Datenanalyse wurde die Software ATLAS.ti verwendet.
Ergebnisse: Acht Ärzt:innen (4 Innere Medizin, 3 Chirurgie, 1 Psychiatrie) wurden rekrutiert und interviewt: Die durchschnittliche Berufserfahrung der Teilnehmenden lag bei 7,3 Jahren (Range 1-15 Jahre).
Die Ergebnisse wurden den Kategorien „Aktuelle Patientenüberwachung“, „Zukünftige Patientenüberwachung“, „Herausforderungen bei der Implementierung“ und „Anwendungsfälle“ zugeordnet. Die befragten Ärzt:innen bewerten die gegenwärtigen Arbeitsprozesse und
Rahmenbedingungen der Vitalzeichenerhebung auf Normalstation als unzureichend - insbesondere aufgrund des geringen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrades, ineffizienter klinischer Workflows und struktureller Defizite (u.a. Personalmangel). Die zukünftige Vitalzeichenerhebung sollte effizient, verlässlich und benutzerfreundlich sein. Die befragten Ärzt:innen würden Wearbles bevorzugen, die unter anderem ein Echtzeit-Monitoring der Vitalparameter ermöglichen. Als größte Herausforderungen werden die Implementierungsphase mit einer hohen Arbeitsbelastung als auch die Anforderungen an Workflowanpassungen und das Alarmmanagement genannt. Anwendungsfällte für automatisiertes, Wearable-basiertes Vitalzeichenmonitoring auf der Normalstation sind insbesondere post-interventionelle Situationen, Ressourcenknappheit und die ärztliche Indikationsstellung bei akuten Verschlechterungen oder Risikokonstellationen.
Schlussfolgerungen: Vitalzeichenmonitoring im normalstationären Setting entspricht nicht den Anforderungen der interviewten Ärzt:innen an eine adäquate Versorgungsqualität, moderne Patient:innenüberwachung und effiziente Workflows im Klinikalltag. Automatisierte, Wearable-basierte Monitoringtechnologien können ihrer Meinung nach die Patient:innensicherheit erhöhen und die Mitarbeitenden entlasten. Dabei spielt jedoch die nutzer:innenzentrierte, gut geplante und strukturiert durchgeführte Implementierung eine Schlüsselrolle.
Förderung im Rahmen des Junior Digital Clinician Scientist Programms des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Weenk M, Bredie SJ, Koeneman M, Hesselink G, Goor H van, Belt TH van de. Continuous Monitoring of Vital Signs in the General Ward Using Wearable Devices: Randomized Controlled Trial. J Med Internet Res. 2020;22(6):e15471.
- 2.
- Mosch LK, Poncette AS, Spies C, Weber-Carstens S, Schieler M, Krampe H, et al. Creation of an Evidence-Based Implementation Framework for Digital Health Technology in the Intensive Care Unit: Qualitative Study. JMIR Form Res. 2022 Apr 8;6(4):e22866.
- 3.
- Mosch L, Fürstenau D, Brandt J, Wagnitz J, Klopfenstein SA, Poncette AS, et al. The medical profession transformed by artificial intelligence: Qualitative study. Digit Health. 2022 Jan 1;8:20552076221143903.