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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Vergleichsanalysen zu krankheitsspezifischen Mortalitätsraten – Ursachen für missverständliche oder problematische Schlussfolgerungen zur gesundheitlichen Lage der Bevölkerung und Qualität der Versorgung

Meeting Abstract

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  • Susanne Stolpe - Universitätsklinikum Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen, Germany
  • Bernd Kowall - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 203

doi: 10.3205/24gmds205, urn:nbn:de:0183-24gmds2051

Published: September 6, 2024

© 2024 Stolpe et al.
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Hintergrund: Krankheitsspezifische Mortalitätsraten dienen dem Monitoring der Bevölkerungsgesundheit und der Einschätzung von Qualität und Effizienz eines Gesundheitssystems – in der Annahme, dass sie die Morbidität der Bevölkerung widerspiegeln. Ein Rückgang krankheitsspezifischer Mortalitätsraten wird dabei oft auf Fortschritte in Therapie und Prävention der jeweiligen Erkrankung zurückgeführt [1], während ein Anstieg mit einer alternden Bevölkerung oder negativ verändertem Risikofaktorprofil (z.B. im Gesundheitsverhalten) in Zusammenhang gebracht wird.

Daten einer monokausalen Mortalitätsstatistik können jedoch nur eine sehr komprimierte Widergabe der Morbidität einer Bevölkerung ermöglichen. Obendrein ist die Generierung der Mortalitätsdaten nur wenig standardisiert. Die Kenntnis dieser Limitationen von Mortalitätsdaten und deren Auswirkung auf vergleichende Analysen scheint nicht immer vorhanden zu sein.

Methoden: Ausgehend von eigenen Arbeiten [2] haben wir in der Literatur sowie Pressemitteilungen und Veröffentlichungen von Fachgesellschaften und öffentlichen Institutionen nach Beispielen für problematische oder fehlerhafte Schlussfolgerungen zu Veränderungen krankheitsspezifischer Mortalitätsraten gesucht. Mögliche Missverständnisse in Bezug auf die Aussagekraft einer Mortalitätsstatistik und Quellen für fehlerhafte Interpretationen wurden identifiziert und mit Beispielen aus der Literatur und grafischen Darstellungen unter Verwendung von Daten der OECD (OECD.stat) zu Lebenserwartung, altersstandardisierter Mortalität, Prävalenz- und Inzidenzraten für ausgewählte Todesursachen illustriert.

Ergebnisse: In den untersuchten Quellen wurden verschiedene fehlerhafte oder problematische Aussagen und Schlussfolgerungen zu Änderungen krankheitsspezifischer Mortalitätsraten und die dabei zugrundeliegenden Missverständnisse in Bezug auf die verwendeten Mortalitätsdaten identifiziert. Ursachen für Missverständnisse sind zum einen unzureichende Kenntnisse über den Prozess der Generierung von Mortalitätsdaten. So bleibt z.B. die Möglichkeit des Vorliegens mehrerer sinnvoller, zum Tode führender, Kausalketten in einem Todesfall in der Diskussion zu Ursachen von Veränderungen in der Mortalität oft unberücksichtigt.

Unkenntnis der WHO-Definitionen und Regeln zur Ausstellung von Todesbescheinigungen [3] – insbesondere die Unterscheidung von zugrundeliegender und unmittelbarer Todesursache – sowie die Gleichsetzung der Konzepte von krankheitsspezifischer Mortalitätsrate und Letalität, können ebenfalls zu Fehlinterpretationen führen.

Weitere Faktoren, die zu möglichen fehlerhaften Schlussfolgerungen aus Vergleichsanalysen krankheitsspezifischer Mortalitätsraten führen können, sind Qualitätsunterschiede nationaler Mortalitätsstatistiken in Bezug auf die Häufigkeit nicht-informativer Todesursachen [4], Änderungen der WHO-Regeln zur Auswahl der zugrundeliegenden Todesursachen, und – vor allem – die zeitlich und regional/national unterschiedliche Wahrscheinlichkeit, mit der eine Erkrankung als zugrundeliegende Todesursache im Rahmen einer Leichenschau ausgewählt wird. Die Morbidität einer Bevölkerung wird dadurch oft nur unzureichend und valide vergleichbar widergespiegelt, was Schlussfolgerungen erschwert.

Schlussfolgerungen: Für valide Schlussfolgerungen aus vergleichenden krankheitsspezifischen Mortalitäts-Analysen für das Gesundheits-Monitoring und Versorgungsforschung ist ein gutes Verständnis der Problematik der monokausalen Mortalitätsdaten und der Besonderheit ihrer Generierung unbedingt erforderlich.

Aussagen zur Morbidität und zur Qualität der Gesundheitsversorgung, die aus krankheitsspezifischen Mortalitätsraten abgeleitet werden und zur Einschätzung der Qualität der Versorgung dienen, sollten vorsichtig formuliert – und unter Berücksichtigung der aufgeführten Faktoren- diskutiert werden.

Allgemein ist es notwendig, die Qualität nationaler Mortalitätsdaten zu verbessern. Regelmäßige Schulungen von ärztlichem Personal zu den WHO-Regeln zur korrekten Ausstellung einer Todesbescheinigung können dazu beitragen [5].

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Mackenbach JP. The rise and fall of diseases: reflections on the history of population health in Europe since ca. 1700. Eur J Epidemiol. 2021;36(12):1199-1205.
2.
Stolpe S, Kowall B, Stang A. Decline of coronary heart disease mortality is strongly effected by changing patterns of underlying causes of death: an analysis of mortality data from 27 countries oft he WHO European region 2000 and 2013. Eur J Epidemiol. 2021; 36(1):57-68.
3.
International statstical classification of diseases and related health problems, 10th revision (ICD-10) Volume 2, Instruction manual (5th edition). 2016.
4.
Department of Data and Analytics, Division of Data, Analytics and Delivery for Impact. WHO methods and data sources for country-level causes of death 2000-2019. Global Health Estimates Technical Paper WHO/DDI/DNA/GHE/2020.2. Geneva: World Health Organization (WHO); 2020.
5.
Valentin J, Goetz K, Yen K, Szecsenyi J, Dettling A, Joos S, Steinhäuser J, Flum E. Knowledge, competencies and attitudes regarding external post-mortem physical examination: A survey among German post-graduate trainees in generel practice. Eur J Gen Practice. 2018;24(1):26-31.