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Potentiale, Herausforderungen und Gelingensbedingungen des Nationalen Registers für Seltene Erkrankungen aus Sicht von Ärzt:innen, Patient:innenorganisationen und Stakeholdern – erste Ergebnisse aus dem Evaluationsvorhaben FAIR4Rare
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Seit Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans für Seltene Erkrankungen im Jahr 2013 hat sich die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen (SE) u.a. durch den Aufbau einer bundesweiten Versorgungsstruktur mit spezialisierten Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE) und den Ausbau der Möglichkeiten genetischer Diagnostik zwar etwas verbessert, allerdings ist die Datenlage zur Epidemiologie der ca. 8.000 verschiedenen SE in Deutschland nach wie vor unzureichend [1]. Krankheitsspezifische Register für einen Bruchteil der Erkrankungen bestehen solitär, initiiert durch Eigeninitiative von Forscher:innen, Ärzt:innen, Fachgesellschaften oder Patientenorganisationen. Eine zentral gesteuerte und systematische Erfassung von Betroffenen, wie im französischen Register Banque National de Données Maladies Rares, erfolgt in Deutschland aktuell nicht. Dabei ist eine grundlegende, krankheitsübergreifende und im europäischen Kontext anschlussfähige Datenbasis essentiell, um Patient:innen mit SE an den Fortschritten der medizinischen Forschung teilhaben zu lassen. Gleiches gilt für eine patientenzentrierte Versorgung, bei der spezifische Bedarfe berücksichtigt werden können. Daher wurde auf Initiative verschiedener zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteure das Nationale Register für Seltene Erkrankungen (NARSE) aufgebaut und konnte im Februar 2024 den Betrieb aufnehmen.
Das Projekt FAIR4Rare evaluiert die Wirkung des NARSE mit Blick auf Nutzung und Akzeptanz bei den Zielgruppen, seine Auswirkungen auf die Versorgungssituation von Patient:innen mit SE und im Vergleich zu alternativen Datenquellen.
Methodik: Die Evaluation erfolgt sowohl mit qualitativ- und quantitativ-empirischen Methoden der Datenerhebung und -auswertung, als auch mittels non-reaktiver Datenerhebungsverfahren.
Durch explorative leitfadengestützte Experteninterviews [2] und anschließende Fokusgruppeninterviews werden die Zielgruppen des NARSE (Ärzt:innen und Patient:innen) und verschiedene Stakeholdergruppen (Initiator:innen des NARSE, Vertreter:innen von Patientenorganisationen und Betreibende anderer Register oder registerähnlicher Plattformen) in die Evaluation des Registers einbezogen. Dabei werden die Ziele der Initiator:innen für Entwicklung und Aufbau des Registers sowie Bedarfe und Erwartungen der Zielgruppen (Patient:innen und Ärzt:innen) erhoben. Zudem werden Nutzungsbereitschaft, Akzeptanz und Zufriedenheit der Nutzer:innen untersucht. Durch die Erhebung politischer, ökonomischer und rechtlicher Rahmenbedingungen und möglicher langfristiger Wirkungen des NARSE aus Sicht verschiedener Stakeholder:innen sollen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Etablierung des Registers identifiziert werden. Experten- und Fokusgruppeninterviews werden qualitativ-inhaltsanalytisch [3] ausgewertet. Mit einer Onlinebefragung (N>500) werden die erhobenen Bedarfe und Erwartungen, Potentiale und Risiken aus Sicht der Nutzergruppen auf eine breitere Basis gestellt. Über alle Ergebnisse hinweg erfolgt abschließend eine SWOT-Analyse [4] zur Identifizierung von Stärken (strengths), Schwächen (weaknesses), Möglichkeiten (opportunities) und Risiken/Bedrohungen (threats). Davon ausgehend sollen im Rahmen eines Abschlussworkshops gemeinsam Handlungsoptionen entwickelt werden.
Ergänzend wird durch non-reaktive Verfahren die Entwicklung der NARSE-Nutzung, d.h. die Nutzerzahl und die Zahl eingetragener Datensätze untersucht. Dabei steht im Fokus, welchen Einfluss das Erreichen bestimmter Meilensteine der technischen Weiterentwicklung (z.B. Anschluss von Datenintegrationszentren) oder die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit haben.
Ergebnisse: Im Zeitraum Februar bis April 2024 wurden bereits 13 Experteninterviews geführt. Erste Ergebnisse sind im zweiten Quartal 2024 zu erwarten. Für die iterative Weiterentwicklung des NARSE werden Aussagen der Interviewpartner:innen, die Anforderungen an konkrete Funktionen oder die Handhabung des Registers formulieren oder aus denen sich solche ableiten lassen, über ein im Projekt etabliertes Anforderungsmanagement in den Entwicklungsprozess des Registers eingespeist. Im Rahmen eines Posters können im September 2024 erste Ergebnisse der qualitativ-empirischen Evaluation präsentiert werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Aichinger H, Brkic N, Schneider D, Bratan T. Die gesundheitliche Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland. Ein Gutachten des Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung ISI durchgeführt im Auftrag des Bundesministerium für Gesundheit. Karlsruhe: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI; 2023. Available from: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/seltene_erkrankungen_bf.pdf
- 2.
- Bogner A, Littig B, Menz W. Interviews mit Experten. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer VS; 2014.
- 3.
- Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 13. überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz; 2022.
- 4.
- Andler N. Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting. Kompendium der wichtigsten Techniken und Methoden. Erlangen: Publicis; 2013.