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Modelle von Treuhand- und Vertrauensstellen – Anwendungszwecke und Chancen
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Treuhand- und Vertrauensstellen dienen der datenschutzkonformen Verwaltung von personen-identifizierenden Daten (IDAT), Wahrung und Umsetzung von Betroffenenrechten [1] sowie der Pseudonymisierung und Ermöglichung der Zusammenführung medizinischer Daten (MDAT) mittels Record Linkage. Die Aufgaben solcher Stellen sind vielfältig und hängen in ihrer Form sowie ihren Möglichkeiten vom jeweiligen Kontext und den benötigten (zusätzlichen) Funktionalitäten (u.a. Einwilligungsverwaltung mit/ohne Qualitätssicherung, Personenmanagement mit/ohne weiterführende Informationen wie Adressdaten) ab.
Der Aufbau passender Datentreuhandstrukturen ist in vielen nationalen medizinischen Forschungsvorhaben essentieller Bestandteil und Voraussetzung für die Umsetzung. Damit solche Datentreuhandstrukturen passend zur aktuellen Gesetzgebung, u.a. dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz [2], gestaltet werden können, möchte dieser Beitrag eine Übersicht über mögliche Anwendungsfälle und deren Lösungsmodelle bieten.
Stand der Technik: Obwohl die Begriffe „Treuhandstelle“ (THS) und „Vertrauensstelle“ (VST) oftmals synonym verwendet werden, dienen sie in diesem Kontext der gezielten Unterscheidung: Eine THS ist Projekt- oder Leistungserbringer-spezifisch, z.B. im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) [3], während eine VST auf Bundesebene legislativ vorgegebene Aufgaben erfüllt, z.B. VST Implantateregister [4]. Aus dieser formalen Unterscheidung ergeben sich keine Vorgaben bzgl. der zu verwendenden Verfahren (z.B. Privacy-Preserving Record Linkage); diese werden durch den Anwendungsfall bestimmt.
Gemeinsames übergeordnetes Ziel ist es, trotz unterschiedlicher Datenbestände und Funktionalitätsbreite verschiedene Datenquellen verbindbar zu machen, um Forschenden umfangreiche medizinische Datensätze mit zusätzlich relevanten Informationen zu ermöglichen, inklusive der Qualitätssicherung, u.a. Dublettenvermeidung bzw. -auflösung, für das Record Linkage.
Konzept: Voraussetzung für den Aufbau von Datentreuhandstrukturen sind eine frühzeitige Konzeptionierung und eine Implementierung des passenden Modells. Dabei sind die abzudeckenden Anwendungsfälle ausschlaggebend. Beispielsweise sind zentrale, dezentrale oder Mischungen beider Datentreuhandstrukturen üblich:
Das Modell eines Datenverbundes mit zentraler Datenhaltung wird in großen, nationalen Forschungsprojekten genutzt, um MDAT mehrerer Datenlieferanten zentral anhand von IDAT zu verknüpfen. Dieses Modell findet beispielsweise Anwendung beim Teilprojekt NUM-NUKLEUS [3] oder der VST Implantateregister [4].
Modelle von Datenverbünden mit dezentraler Datenhaltung wie beim Modellvorhaben Genomsequenzierung für Seltene und Onkologische Erkrankungen nach §64e SGB V [5] oder NUM-RDP [3] ermöglichen, dass weder MDAT noch IDAT den Standort verlassen. Um die Daten dennoch standortübergreifend zusammenzuführen, werden diese mithilfe eines föderierten Modells vernetzt. Hierfür kommen ggf. spezielle Verfahren zum Einsatz, welche die Identität der Personen schützen und trotzdem qualitätssteigernde Funktionalitäten, wie Vermeidung/Auflösen von Dubletten, bereitstellen können.
Implementierung: Sowohl die THS an der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) als auch die VSTen am Robert Koch-Institut (RKI) betreiben und unterstützen diese Modelle und ihre Kombinationen, um den unterschiedlichen Anwendungsfällen gerecht zu werden. Dabei sind neben technischen auch organisatorische Lösungen entstanden. Ein großer Wert wurde stets auf die Automatisierung von Prozessen und die Reduzierung manueller Tätigkeiten gelegt, um Daten schneller verarbeiten und zur Verfügung stellen zu können. Ziel ist stets, die medizinische Gesundheitsforschung bestmöglich zu unterstützen. Abstrakte Schnittstellen ermöglichen die Vernetzung von verschiedenen THSen und VSTen, ohne die Vorgabe expliziter Werkzeuge.
Gewonnene Erkenntnisse: Als erfahrene Datentreuhandstrukturen stellen die THS der UMG und die VSTen am RKI ihre Erfahrungen sowie darauf aufbauend nutzbare Prozesse und technische Lösungen vor. Der Vortrag zeigt mögliche allgemeine Modelle inkl. der Zusammenarbeit zwischen THSen und VSTen auf, möchte die Einstiegshürde zu dieser Thematik minimieren und Forschende ermutigen, entsprechende Strukturen zu nutzen/anzubinden bzw. selbst zu etablieren.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Intemann T, Kaulke K, Kipker DK, Lettieri V, Stallmann C, Schmidt CO, et al. White Paper - Verbesserung des Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland. Köln: nfdi4health; 2023.
- 2.
- Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten. BGBl. 2024 I Nr. 102 vom 25.03.2024. [cited 2024 Apr 22]. Available from: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/102/VO.html
- 3.
- Heyder R; NUM Coordination Office; NUKLEUS Study Group; NUM-RDP Coordination; RACOON Coordination; AKTIN Coordination; GenSurv Study Group. Das Netzwerk Universitätsmedizin: Technisch-organisatorische Ansätze für Forschungsdatenplattformen [The German Network of University Medicine: technical and organizational approaches for research data platforms]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2023 Feb;66(2):114-125. DOI: 10.1007/s00103-022-03649-1
- 4.
- Gesetz zum Implantateregister Deutschland (Implantateregistergesetz - IRegG) § 8 Vertrauensstelle. [cited 2024 Apr 22]. Available from: https://www.gesetze-im-internet.de/iregg/__8.html
- 5.
- Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) § 64e Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung mittels Genomsequenzierung bei seltenen und bei onkologischen Erkrankungen, Verordnungsermächtigung. [cited 2024 Apr 22]. Available from: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__64e.html