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Auf dem Weg zu einer inklusiven Integration von Technologien im Gesundheitswesen: Ein konzeptioneller Ansatz zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen
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Published: | September 6, 2024 |
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Einleitung: Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen eröffnet Möglichkeiten für verbesserte Diagnose- und Behandlungsmethoden, sowie für eine erleichterte Kommunikation mit Patient:innen [1]. Sie birgt aber auch Risiken für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen (erschwerter Zugang, fehlende Barrierefreiheit, fehlende individuelle Anpassungsmöglichkeiten), die bisher in der medizinisch-informationstechnischen Entwicklung nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Circa 28% der Weltbevölkerung leidet an einer Form der Sehbeeinträchtigung [2]. Unabhängig von Alter, Sprache und kulturellem Hintergrund müssen Betroffene frühzeitig in die Entwicklung technischer Lösungen einbezogen werden [3]. Ziel der Arbeit ist die Entwicklung eines Konzeptes bzw. einer Handlungshilfe für Entwickler:innen zur frühzeitigen Einbindung sehbeeinträchtigter Nutzer:innen in die technischen Entwicklungsarbeiten [4]. Das Abstract fokussiert auf das methodische Vorgehen und die ersten erarbeiteten Ergebnisse.
Methoden: Für die Entwicklung einer Handlungshilfe für Entwickler:innen wird ein Mixed-Methods-Ansatz aus Literaturanalysen, quantitativen Fragebögen und qualitativen Interviews eingesetzt: Durch Literaturanalysen soll zunächst ermittelt werden, mit welchen Methoden und in welchem Umfang Betroffene eingebunden werden und welche spezifischen Kritikpunkte bisherige Anwendungen bezüglich Gestaltung und Bedienbarkeit für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung aufweisen. Mittels quantitativer Befragungen und qualitativer Face-to-Face-Interviews werden die Bedürfnisse sowie die aktuellen Barrieren und Hindernisse Betroffener erhoben. Auf Basis der ermittelten Ergebnisse werden Handlungsempfehlungen mit geeigneten Partizipationsmethoden für einen frühzeitigen Einbezug Sehbeeinträchtigter in die Entwicklungsarbeiten erarbeitet. Unter anderem werden dabei auch neue Partizipationsmethoden (z.B. ein Fragebogen zur Erhebung von Anforderungen Betroffener) entwickelt. Die Handlungshilfe soll abschließend durch Entwickler:innen im Hinblick auf Praktikabilität, Verständlichkeit und Vollständigkeit überprüft werden.
Ergebnisse: In einem ersten Schritt wurde ein Rapid Review initiiert, um den Beteiligungsumfang von Betroffenen an der Entwicklung digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen und die eingesetzten Methoden zu analysieren. Es wurde erhoben, um welche konkreten Anwendungen es sich handelt und in welchem Kontext sie eingesetzt werden. Erste Ergebnisse des Rapid Reviews zeigen, dass überwiegend qualitative Messinstrumente zur partizipativen Einbindung von Betroffenen eingesetzt werden und diese entsprechend nicht standardisiert sind. Eine Partizipation wird zudem in den meisten Fällen nur mittels einer Literaturanalyse bedacht. Die Entwicklungen befinden sich überwiegend in einem Proof of Concept. Auf Basis der Ergebnisse des Rapid Reviews wird ein Fragebogen zur Erfassung der Bedürfnisse und Wünsche entwickelt, um im Weiteren die Anforderungen Betroffener mittels quantitativer Befragungen erheben zu können.
Diskussion: Bisherige Ergebnisse zeigen, dass die größten Herausforderungen einer Einbindung der Betroffenen in Entwicklungsarbeiten in a) der Sicherstellung einer ausreichenden Rücklaufquote bei quantitativen Befragungen und b) durch ein fehlendes standardisiertes Vorgehen bedingt sind.
Schlussfolgerung: Eine Handlungshilfe für Entwickler:innen soll zukünftig einen Ansatz zur Förderung eines diversitätssensiblen Einsatzes technologischer Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung, insbesondere für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen bieten. Die frühzeitige Einbeziehung von Betroffenen in die Entwicklung spezifischer Lösungen kann dazu beitragen, die digitale Transformation der Medizin inklusiver zu gestalten.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Gmelin A. Chancen durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland. In: Pfannstiel MA, Holl F, Swoboda WJ, Hrsg. mHealth-Anwendungen für chronisch Kranke. Wiesbaden: Springer Gabler; 2020.
- 2.
- World Health Organization. World report on vision. Geneva: World Health Organization; 2019. Verfügbar unter: https://iris.who.int/handle/10665/328717
- 3.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022. Eine Bestandsaufnahme. 2021. Verfügbar unter: https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2022_final.pdf
- 4.
- Heinemann L, Drossel D, Freckmann G, Kulzer B. Usability of Medical Devices for Patients With Diabetes Who Are Visually Impaired or Blind. J Diabetes Sci Technol. 2016 Nov 1;10(6):1382-1387.