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65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS)

06.09. - 09.09.2020, Berlin (online conference)

Zur Eigentumsfrage medizinischer Daten im Paradigmenwandel von Medizin und Informatik

Meeting Abstract

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  • Thomas Deserno - Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS). Berlin, 06.-09.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 153

doi: 10.3205/20gmds066, urn:nbn:de:0183-20gmds0661

Published: February 26, 2021

© 2021 Deserno.
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Die Digitalisierung betrifft mittlerweile alle Bereiche unserer Gesellschaft und macht auch vor der Medizin nicht Halt. Die Medizinische Informatik als Fachdisziplin verbindet das Grundlagenfach der Informatik mit der Anwendungsdomäne Medizin bzw. Gesundheitswesen. Sie greift dort konkrete Probleme auf, um diese mit den Methoden der Informatik zu lösen und dabei auch aus den verallgemeinerten Lösungsansätzen wieder generische Methoden im Grundlagenfach zu erzeugen [1]. Allerdings geht die Digitalisierung der Medizin mit mehreren Paradigmenwandeln einher [2]:

1.
Aus zentraler Krankheitsdiagnostik wird dezentrales Gesundheitsmonitoring: Ambient Assisted Living, mobile Fitnessgeräte oder smarte Umgebungen wie das Smart Home oder das Smart Car nehmen kontinuierlich Daten des Individuums auf, die auch für eine medizinische Diagnostik Relevanz haben.
2.
Aus punktueller Datenerfassung wird kontinuierliches Monitoring: Während medizinische Daten früher ausschließlich zu diagnostischen Zwecken im Krankheitsfall und somit zu sporadischen Zeitpunkten einmalig erhoben wurden liefert das Gesundheitsmonitoring kontinuierliche Datenströme.
3.
Aus symptomgesteuerter Behandlung wird datengetriebene Prädiktion und Prävention: Medizin bedeutet nicht mehr das Behandeln von Krankheiten sondern das frühzeitige Erkennen von Tendenzen um einzugreifen, bevor die Krankheit entsteht.
4.
Aus zentralen Registern mit pseudonymen Daten werden dezentrale Datenpools: Medizinische Daten werden heute in fallbasierten elektronischen Krankenakten gespeichert, die zu Registern oder Datenwarenhäusern zusammengefasst werden. Um eine Fortschreibung der Daten zu ermöglichen, sind diese pseudonymisiert. Künftig werden verteilte Anfragen an dezentrale Datenbanken gestellt, die dann mit vollständig anonymisierten Daten antworten können [3].

Vor diesem Hintergrund werden neue Konzepte zum Management medizinischer Daten benötigt. Dies schließt die Eigentumsfrage mit ein:

  • Punktuelle Diagnostik: Unser Gesundheitssystem beruht auf dem Solidaritätsprinzip. Notwendige Ausgaben zur Diagnostik und Behandlung von Krankheiten werden als Versicherungsleistung aus den Beiträgen Aller finanziert. Müssten die Daten, die in einem solchen Prozess entstehen, dann nicht auch der Allgemeinheit gehören? Derzeit herrscht in Deutschland jedoch die Meinung, medizinische Daten gehörten dem Individuum (Patienten), obwohl noch vor wenigen Jahrzehnten die Meinung gängig war, dass diese den Ärzten gehörten; das Röntgenbild des Radiologen ist hier nur ein (gutes) Beispiel.
  • Kontinuierliches Monitoring: Doch was ist mit Daten, die der Einzelne auch auf eigene Kosten generiert? Man könnte meinen, dass hier gesellschaftlicher Konsens herrsche, dass diese Daten auch dem Individuum gehörten. Die Praxis lehrt jedoch anderes: Millionen von Konsumenten sind damit einverstanden, dass die Daten den Geräteherstellern wie Garmin, Google oder Amazon gehören und sie allenfalls ein Betrachtungsrecht haben, denn ein Export der eigenen Daten aus den geschlossenen Systemen der Hersteller ist in der Regel nicht möglich.

Dieser Beitrag liefert keine Lösungen zu den aufgeworfenen Fragen sondern soll vielmehr zur Diskussion über die Problematik anregen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Pommerening K, Deserno TM, Ingenerf J, Lenz R, Schmücker P. Der Impact der Medizinischen Informatik. Informatik Spektrum. 2014; 37: 1-25.
2.
Deserno TM. From punch card-based medical documentation to cloud-based health monitoring: new challenges in Medical Informatics faced at PLRI. Antrittsvorlesung an der TU Braunschweig. 2018 June 27.
3.
Deserno TM. Von Smart Implants zu Smart Homes: Big Data Technologien und mobile Sensorik sinnvoll verknüpfen. Orthopädische Nachrichten. 2018; 10: 18-9.