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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Sicherheit und Wirksamkeit der ergänzenden Therapie mit Mistelextrakten bei Patientinnen mit Mammakarzinom im Vergleich zur konventionellen Krebstherapie allein

Meeting Abstract

  • Caroline Steigenberger - UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., Austria
  • Petra Schnell-Inderst - UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., Austria
  • Magdalena Flatscher-Thöni - UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., Austria
  • Uwe Siebert - UMIT - University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i.T., Austria; Institute for Technology Assessment and Department of Radiology, Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Boston, MA, United States of America; Center for Health Decision Science, Department of Health Policy and Management, Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, MA, United States of America; Area of Health Technology Assessment, ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine, Innsbruck, Austria

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 293

doi: 10.3205/19gmds165, urn:nbn:de:0183-19gmds1656

Published: September 6, 2019

© 2019 Steigenberger et al.
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Text

Einleitung: Bei Frauen steht Brustkrebs mit jährlich ca. 18 Prozent der Krebssterbefälle und bei den Krebsneuerkrankungen an erster Stelle [1]. Die häufigste Standardtherapie nach Operation ist die Chemotherapie. Um deren Nebenwirkungen abzumildern, entscheiden sich viele Patientinnen (Anzahl der verordneten Tagesdosen 2015 in Deutschland 3,6 Millionen [2]) für eine begleitende Misteltherapie. Ziel ist es, die Lebensqualität zu erhöhen. Systematische Übersichtsarbeiten zur Misteltherapie bei Patienten mit verschiedenen Krebserkrankungen lieferten den Hinweis, dass die Misteltherapie besonders bei Brustkrebspatientinnen wirksam sein könnte [3], [4]. Daher beauftragte das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einen Health-Technology-Assessment-Bericht zur Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie mit Mistelextrakten bei Patientinnen mit Mammakarzinom als Ergänzung zur konventionellen Krebstherapie im Vergleich zur konventionellen Krebstherapie allein.

Methoden: Mittels einer systematischen Literaturrecherche in fünf medizinischen Datenbanken, ergänzt durch eine Internetrecherche, wurden Primärstudien zur medizinischen Wirksamkeit und Sicherheit der begleitenden Misteltherapie bei Brustkrebs identifiziert. Die Referenzen wurden von zwei Autoren unabhängig voneinander anhand vorab definierter Kriterien ein- oder ausgeschlossen. Zielgrößen für die Effektivität und Sicherheit waren die gesundheitsspezifische Lebensqualität, Gesamtüberleben, progressionsfreies Überleben und unerwünschte Nebenwirkungen. Zur Bewertung der Effektivität wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien (RCT), für die der Sicherheit auch Beobachtungsstudien, eingeschlossen. Die Studienqualität wurde standardisiert erhoben und die Ergebnisse in Evidenztabellen zusammengefasst.

Ergebnisse: Es wurden drei RCT (n=719) in die Bewertung der medizinischen Wirksamkeit und zusätzlich fünf Beobachtungsstudien (n=3303) in die Bewertung der Sicherheit eingeschlossen. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde in drei RCT anhand von vier Messinstrumenten erhoben. Der GLQ-8-Summenscore ergab eine statistisch signifikante Verbesserung in der Verumgruppe von 60,9 mm (95%-Konfidenzintervall: 19,3 bis 102,0 mm) für die Dosis von 30 ng Mistellektin pro ml, die von den Autoren als klinisch relevant eingeschätzt wurde [5], [6]. Im Spitzer-Index zeigte sich keine statistisch signifikante Verbesserung. Beim EORTC QLQ-C30 zeigten 11 der 15 Items einen statistisch signifikante Verbesserung gegenüber der Kontrollgruppe, davon acht bzw. neun Items mit einem klinisch relevantem Unterschied von mindestens fünf Punkten [7], [8]. Die FACT-G Scores für die Subskalen körperliches, emotionales und funktionales Wohlbefinden zeigten eine statistisch signifikante Verbesserung [5]. Auswirkungen auf das progressionsfreie Überleben oder auf die Gesamtüberlebenszeit waren in keinem der RCTs Zielgröße.

In allen acht Studien zur Sicherheit wurde die Misteltherapie insgesamt als sehr gut oder gut verträglich bewertet, allerdings mit teils mangelhafter Berichtsqualität. Die häufigste Nebenwirkung der Mistelinjektionen war eine lokale Reaktion an der Einstichstelle oder systemische Reaktionen, die spontan heilten. Elf der 4022 Patientinnen hatten schwerwiegende Nebenwirkungen, die teilweise zum Therapieabbruch führten.

Diskussion: Patientinnen, die Mistelextrakte erhielten, hatten in drei Studien eine signifikant höhere Lebensqualität, in zwei davon in klinisch relevantem Ausmaß. Die Verträglichkeit war insgesamt als sehr gut oder gut beschrieben mit vereinzelt schweren Nebenwirkungen, die jedoch unvollständig berichtet wurden. Die Wirksamkeit und Sicherheit waren in einer Studie abhängig von der Dosis [6]. Aufgrund der lokalen Reaktion an der Einstichstelle lässt sich eine Verblindung nicht aufrechterhalten und bei der subjektiven Zielgröße Lebensqualität ist deshalb mit einem hohen Risiko für eine Effektverzerrung zu rechnen. Eine weitere Limitation der Studien ist, dass die systemischen Wechsel- und Nebenwirkungen von Chemotherapie und Misteltherapie schwer voneinander zu trennen sind.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Statistisches Bundesamt (DESTATIS). Gestorbene in Deutschland, 2016, nach Todesursachen: Bösartige Neubildungen Insgesamt und ICD-10 C-50 (BN der Brustdrüse), Geschlecht (w/m). GENESIS-Online Datenbank. 2019 [Accessed 5 April 2019]. Available from: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data;sid=AA26D32D593947B9DC17FFDABFE459BE.GO_1_1?operation=abruftabelleAbrufen&selectionname=23211-0002&levelindex=0&levelid=1555432061795&index=2 External link
2.
Ludwig WD, Schwabe U. Mistelpräparate. In: Schwabe U, Pfaffrath D, editors. Arzneiverordnungs-Report 2016. Berlin, Heidelberg: Springer; 2017. p. 598.
3.
Lange-Lindberg AM, Velasco-Garrido M, Busse R. Misteltherapie als begleitende Behandlung zur Reduktion der Toxizität der Chemotherapie maligner Erkrankungen. 2006 GMS Health Technology Assessment 2006;2:Doc18.
4.
Horneber M, Bueschel G, Huber R, Linde K, Rostock M. Mistletoe Therapy in Oncology. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2008;(2):CD003297.
5.
Semiglazov V, Stepula V, Dudov A, Schnitker J, Mengs U. Quality of life is improved in breast cancer patients by Standardised Mistletoe Extract PS76A2 during chemotherapy and follow-up: a randomised, placebo-controlled, double-blind, multicentre clinical trial. Anticancer research. 2006;26(2b):1519-29.
6.
Semiglazov V, Stepula V, Dudov A, Lehmacher W, Mengs U. The standardised mistletoe extract PS76A2 improves QoL in patients with breast cancer receiving adjuvant CMF chemotherapy: a randomised, placebo-controlled, double-blind, multicentre clinical trial. Anticancer research. 2004;24(2c):1293-302.
7.
Tröger W, Jezdic S, Zdrale Z, Tisma N, Hamre H, Matijasevic M. Quality of life and neutropenia in patients with early stage breast cancer: A randomized pilot study comparing additional treatment with mistletoe extract to chemotherapy alone. Breast Cancer: Basic and Clinical Research. 2009;3(1):35-45.
8.
Tröger W. Zusammenhang von Lebensqualität und Neutropenie bei Brustkrebspatientinnen, die alleine mit Chemotherapie oder zusätzlich mit Misteltherapie behandelt wurden. Deutsche Zeitschrift für Onkologie. 2011;43(2):58-67.