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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Opportunitätskosten verursacht durch nosokomiale Infektionen am Beispiel von Daten einer Unfallchirurgie/Orthopädie

Meeting Abstract

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  • Dominik Bures - Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany
  • Dirk Sauerland - Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 255

doi: 10.3205/19gmds153, urn:nbn:de:0183-19gmds1533

Published: September 6, 2019

© 2019 Bures et al.
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Einleitung: Nosokomiale Infektionen (NI) stellen die häufigste Komplikation bei Krankenhausaufenthalten in Industrieländern dar. Die Belastung der Krankenhäuser offenbart sich nicht nur in den direkten Kosten (etwa durch den Einsatz zusätzlicher Medikamente), sondern auch in indirekten Kosten. Zu diesen zählen insbesondere die Opportunitätskosten der Bettentage, die für NI-Patienten benötigt werden. Ökonomisch betrachtet blockieren NI-Patienten, die i.d.R. eine deutlich höhere Verweildauer haben, Betten, die dann nicht mehr für die Behandlung „normaler Fälle“ zur Verfügung stehen. Durch den Einsatz sogenannter Hygieneärzte sollen die Infektionszahlen in deutschen Krankenhäusern reduziert werden. Um die mit dieser Maßnahme verbundenen Kosten und Nutzen abzuschätzen, werden hier die Opportunitätskosten von NI-Patienten analysiert.

Methoden: Die Daten enthalten Informationen zu den fallbezogenen Diagnosen, DRG-Erlösen sowie zur Aufenthaltsdauer. Der Datensatz umfasst insgesamt 5.910 Patienten, die 2016 in der Unfallchirurgie/Orthopädie versorgt wurden. Bei 53 Patienten wurde eine NI diagnostiziert. Aufgrund der hohen Heterogenität zwischen der Gruppe der Normalfälle und den NI-Patienten wurde eine homogene Subgruppe für die Analyse gebildet. Dafür wurde ein dreistufiges Verfahren angewandt. In dieser Subgruppe befinden sich 29 NI-Patienten mit 425 statistischen Zwillingen (Matching nach Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose) jeweils ohne NI-Diagnose. Zur Analyse der Opportunitätskosten wurden die realisierten DRG-Erlöse pro Tag (DRG) für beide Patientengruppen sowie die durchschnittliche Verweildauer (LOS) für die NI-Patienten berechnet. Zusätzlich wurde die durchschnittliche Bettenauslastung (DBA) der betroffenen Station berücksichtigt. Die Opportunitätskosten (OK) der Behandlung von NI-Patienten ergeben sich dann als OK = LOSNI x DRGnormal x DBA – LOSNI x DRGNI=LOSNI x (DRGnormal x DBA – DRGNI).

Ergebnisse: Auf Basis des ermittelten Durchschnitts offenbart sich, dass die durchschnittliche Liegezeit der NI-Fälle (23,5 Tage) in der Subgruppe um 15,8 Tage höher ist, als die Liegezeit der Normalfälle (7,7 Tage). Patienten mit einer NI belegen demzufolge rund dreimal so lange ein Krankenhausbett, gegenüber einem vergleichbaren Fall ohne eine solche Komplikation. Legt man den durchschnittlichen DRG-Erlös zugrunde, ergeben sich Erlöseinbußen in Höhe von rund 15.000 € pro NI-Patient in der Subgruppe. Demgegenüber stehen realisierte Erlöse in Höhe von etwa 11.000 €. Hochgerechnet auf die 29 Patienten der Subgruppe, ergeben sich, bedingt durch NI, jährliche Opportunitätskosten in Höhe von etwa 116.000 €. Die Erlöse des Krankenhauses könnten dementsprechend um ca. 36 % höher ausfallen.

Fazit: Nosokomiale Infektionen stellen eine erhebliche finanzielle Belastung für die Krankenhäuser dar. Herbeigeführt durch Opportunitätskosten, in Form von blockierten Krankenhausbetten, gehen dem Krankenhaus Erlöse verloren. Patienten mit einer NI sind gegenüber Normalfällen mit einer verlängerten Liegezeit assoziiert. Im Schnitt weist ein NI-Patient in dem analysierten Sample eine verlängerte Liegezeit von über zwei Wochen auf, gegenüber einem vergleichbaren Fall ohne eine Komplikation dieser Art. So entstehen bedingt durch nosokomiale Infektionen und den damit verbundenen Opportunitätskosten hohe Erlöseinbußen. Jedoch muss auch berücksichtigt werden, dass auf diese Weise keine weiteren Kosten für potentielle Normalfälle anfallen.

Gelingt es, durch den Einsatz von Hygieneärzten die Zahl der NI-Fälle zu reduzieren, hat dies ökonomische Vorteile für das jeweilige Krankenhaus. Der Vorteil für die Patienten ist dabei evident.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


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