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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Anwendung der INTEGRATE-HTA-Methodik im ThemenCheck Medizin am Beispiel der Videorasterstereographie zum Monitoring bei idiopathischer Skoliose

Meeting Abstract

  • Barbara Buchberger - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany; Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany
  • Kaya Jastrzebski - Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany
  • Laura Krabbe - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWiG, Köln, Germany; Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 182

doi: 10.3205/19gmds146, urn:nbn:de:0183-19gmds1464

Published: September 6, 2019

© 2019 Buchberger et al.
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Text

In vollständigen Health Technology Assessment(HTA)-Berichten werden neben Sicherheit und Wirksamkeit einer Technologie auch ökonomische, ethische, juristische, sozio-kulturelle und organisatorische Aspekte dargestellt und diskutiert.

INTEGRATE-HTA ist ein abgeschlossenes EU-Projekt zur Entwicklung von Konzepten und Methoden für eine patientenzentrierte integrierte Bewertung komplexer Technologien [1]. Als komplex gelten Technologien, die insbesondere durch eine erhöhte Anzahl interagierender Komponenten, verschiedene Verhaltensweisen von Stakeholdern, Variabilität von Outcomes sowie den Grad von Flexibilität charakterisiert sind.

Im Gegensatz zur üblichen linearen Vorgehensweise durch partielles Abhandeln der einzelnen Domänen beruht die INTEGRATE-HTA-Methodik auf der Annahme von Interaktionen verschiedener Aspekte der Domänen. Von Beginn des HTA-Prozesses an werden die Interaktionen mithilfe verschiedener Tools systematisch erfasst und mit Stakeholdern diskutiert. Das Verfahren kann durch anhaltende Reflexion und Verdichtung der Relationen zur Erweiterung der Perspektive auf eine Technologie führen. Im Ergebnis sollen sich Komplexität und Wirkmechanismen auf verschiedenen Ebenen erschließen sowie eine gesellschaftliche Diskussion und Implementierung gebahnt werden.

Die Videorasterstereographie ist ein rein lichtoptisches Verfahren ohne Freisetzung ionisierender Strahlung und in Deutschland eine Selbstzahlerleistung. Als idiopathische Skoliose, die mit einer Inzidenz von mehr als 1% eine relativ häufige Fehlbildung ist, wird eine dreidimensionale Achsabweichung der Wirbelsäule ohne bekannte Ursache bezeichnet. Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen. Je nach Ausprägung wird die Erkrankung konservativ durch Physio- oder Korsett-Therapie, aber auch durch operative Maßnahmen behandelt. Wesentlich ist eine regelmäßige Verlaufskontrolle zur Therapieanpassung bei Progredienz.

Untersucht wurde die Frage, ob die Anwendung der INTEGRATE-HTA-Methodik für den Vergleich der Videorasterstereographie mit konventionellem Röntgen zum Monitoring bei idiopathischer Skoliose zur Verbesserung des Verständnisses der einzelnen Domänen und ihrer Interaktionen dienen kann.

Gemäß INTEGRATE-HTA-Methodik [2] wurde ein initiales logisches Modell erarbeitet und im Prozess erweitert. Dazu dienten eine Übersichtstabelle zur multiplen Zuordnung von Aspekten zu Domänen sowie eine aus der Literatur abgeleitete Komplexitätscheckliste. Zur Einbindung von Stakeholdern in den HTA-Prozess fand ein Präsenztreffen mit Betroffenen statt. Darüber hinaus erfolgten eine Umfrage unter niedergelassenen Orthopäden zur Verbreitung der Technologie sowie eine Anfrage bei der Asklepios Katharina-Schroth-Klinik Bad Sobernheim nach Daten zur Adhärenz bei Korsett-Therapie. Als Ergänzung beschriebener Tools wurden Harvest Plots erstellt und die sozio-kulturelle Bedeutung der Erkrankung als semantischer Komplex hervorgehoben. Das finale logische Modell sowie eine graphische Darstellung der Interaktionen wurden zur Einleitung des Diskussionsprozesses erstellt.

Die zu Beginn des HTA-Prozesses als geringgradig komplex eingestufte Technologie stellte sich nach Verwendung vielfältiger Tools und graphischer Darstellung als hoch komplex heraus: die mehrfache Zuordnung einzelner Aspekte zu den Domänen ergab eine hohe Dichte von Interaktionen. Aufgrund der fehlenden Kostenerstattung waren z.B. ökonomische Aspekte hinsichtlich einer gerechten Ressourcenallokation mit ethischen und sozio-kulturellen Aspekten verbunden. Darüber hinaus war der Leistungs- und Informationszugang an den sozioökonomischen Status (SES) geknüpft, und der Leistungszugang mit dem SES in Bezug auf organisatorische Aspekte wie Anfahrts- und Wartezeiten verbunden sowie in Bezug auf den ethischen Aspekt der Selbstbestimmung.

Die Anwendung der INTEGRATE-HTA-Methodik trägt dazu bei, Interaktionen zwischen Domänen zu identifizieren und die Perspektive auf eine Technologie deutlich zu erweitern. Sie verbessert ein patientenzentriertes Verständnis und erleichtert die Diskussion von Aspekten unterschiedlicher Domänen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Gerhardus A. INTEGRATE-HTA project team. Integrated health technology assessment for evaluating complex technologies (INTEGRATE-HTA): An introduction to the guidances. 2016. Available from: http://www.integrate-hta.eu/downloads/ External link
2.
Wahlster P, Brereton L, Burns J, Hofmann B, Mozygemba K, Oortwijn W, Pfadenhauer L, Polus S, Rehfuess E, Schilling I, van Hoorn R. Guidance on the integrated assessment of complex health technologies: the INTEGRATE-HTA model. 2016. Available from: https://www.integrate-hta.eu/wp-content/uploads/2016/02/Guidance-on-the-integrated-assessment-of-complex-health-technologies-the-INTEGRATE-HTA-model.pdf External link