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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Abhängigkeit eines indikationsspezifischen Algorithmus zur Schritterkennung bei Personen mit Multipler Sklerose von Gehgeschwindigkeit und Trageposition

Meeting Abstract

  • Layal Shammas - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Germany
  • Asarnusch Rashid - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Germany
  • Alexander Tallner - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department für Sportwissenschaft und Sport, Erlangen, Germany
  • Verena Hartung - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department für Sportwissenschaft und Sport, Erlangen, Germany
  • René Streber - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department für Sportwissenschaft und Sport, Erlangen, Germany
  • Philipp Wanner - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department für Sportwissenschaft und Sport, Erlangen, Germany
  • Benjamin Roth - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Germany
  • Ann-Christin Weiland - Neurologisches Rehabilitationszentrum Quellenhof, Bad Wildbad, Germany
  • Peter Flachenecker - Neurologisches Rehabilitationszentrum Quellenhof, Bad Wildbad, Germany
  • Mathias Mäurer - Klinikum Würzburg Mitte gGmbH, Standort Juliusspital, Würzburg, Germany
  • Klaus Pfeifer - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department für Sportwissenschaft und Sport, Erlangen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 297

doi: 10.3205/19gmds132, urn:nbn:de:0183-19gmds1329

Published: September 6, 2019

© 2019 Shammas et al.
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Text

Hintergrund: Gehfähigkeit und Gehgeschwindigkeit sind wichtige Indikatoren für den Krankheitsschweregrad bei Personen mit Multipler Sklerose (PmMS) [1] . Eine objektive und valide Messung körperlicher Aktivität mit Beschleunigungssensoren kann helfen den klinischen Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) zu beurteilen. Die Genauigkeit der Schritterkennung hängt ab von verwendeten Sensoren [2], Algorithmen für die Schritterkennung (generisch vs. indikationsspezifisch), Trageposition des Sensors (Hüfte oder Handgelenk) sowie der Zielgruppe und Einschränkungen bei der Gehgeschwindigkeit. In Vorarbeiten am Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen (ZTM) wurde ein indikationsspezifischer Schritterkennungsalgorithmus für PmMS und hüftgetragenen Sensoren entwickelt. Eine indikationsspezifische Validierung verschiedener Sensoren/Smartwatches und Tragepositionen unter Berücksichtigung der Gehgeschwindigkeit liegt bisher nicht vor.

Ziel: Ziel der Studie ist, einen indikationsspezifischen Schritterkennungsalgorithmus anzuwenden auf einen an der Hüfte getragenen Sensor sowie einen am Handgelenk getragenen Smartwatch und jeweils mit deren generischen Algorithmen zu vergleichen, in Abhängigkeit von der Gehgeschwindigkeit.

Methoden: Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des Projekts „MS bewegt“. Eingeschlossen wurden PmMS (EDSS 0-6.5, Alter >18). Studienteilnehmer absolvierten drei Gehtests auf ebenem Untergrund bis jeweils 250 Schritte erreicht waren: 1) komfortable, selbst gewählte Gehgeschwindigkeit 2) langsame (-20%) und 3) schnelle (+20%) Gehgeschwindigkeit. Die Vorgabe der Geschwindigkeit erfolgte vom Tester mithilfe eines Messrads. Der Tester gab die Gehgeschwindigkeit anhand des Messrads vor.

Beschleunigungsdaten wurden erfasst via Actigraph (wGT3X, Hüfte) und Polar Smartwatch (M600, Handgelenk). Auf diesen Sensoren wurde der jeweils proprietäre, generische Algorithmus zur Schritterkennung (Actigraph: Actilife / Polar: Polar Flow) verglichen mit einem indikationsspezifischen Algorithmus (ZTM). Für die Schritterkennung wurde eine Zero-Crossing Detektion verwendet. Zur Erkennung der Frequenz des Gangsignals wurde der zeitliche Abstand der Nulldurchgänge untersucht. Stimmt diese Frequenz mit der Frequenz, welche beim menschlichen Gang erzeugt wird überein, so handelt es sich um einen Schritt [3]. Zur Evaluierung des Algorithmus wurden Daten aus zwei verschiedenen Studien (Indoor- und Outdoor-Studien) verwendet. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Sensitivität (99,97%) sowohl beim Gehen als auch beim Joggen [4].

Referenzwert für erkannte Schritte war direkte Beobachtung durch das Studienpersonal. Für jede Sensor/Algorithmus-Kombination wurden Mittelwert und Standardabweichung berechnet. Zur Beurteilung des Einflusses der Gehgeschwindigkeit wurden die Daten gruppiert analysiert.

Ergebnisse: Es wurden 58 Teilnehmer eingeschlossen (EDSS 0-6.5, median 4.0; Alter 48+-11; m=14, w=44) und insgesamt 172 Gehtests ausgewertet. Die genauesten Ergebnisse lieferte der Actigraph Sensor mit ZTM Algorithmus (251±14 Schritte), vor Polar/ZTM (233±64), Actigraph/Actilife (228±38) und Polar/Polar Flow (220±65). Sinkende Gehgeschwindigkeit führte zu sinkender Genauigkeit der Schritterkennung und höherer Standardabweichung.

Schlussfolgerungen: Die Messung an der Hüfte mit einem indikationsspezifischen Schritterkennungsalgorithmus zeigt im Vergleich die besten Ergebnisse (Actigraph/ZTM), ab einer Gehgeschwindigkeit von 2km/h liegen Mittelwert und Standardabweichung innerhalb eines Fehlerkorridors von weniger als 10% (253+/-19 Schritte). Ein indikationsspezifischer Algorithmus bei Handgelenksmessung (Polar M600/ZTM) liefert bessere Werte als der generische Algorithmus (Polar Flow). Aufgrund hoher Standardabweichungen bei Gehgeschwindigkeiten unter 4km/h sollte im individuellen Falle dennoch geprüft werden, ob eine sinnvolle Schritterkennung am Handgelenk gegeben ist (29 von 88 Probanden außerhalb einer Fehlerrate von +/- 10%). Eine Adjustierung des ZTM Algorithmus auf Handgelenksdaten erscheint vielversprechend. Smartwatches bieten somit eine vielversprechende Option zur validen Messung körperlicher Aktivität bei PmMS, wenn indikationsspezifische Algorithmen implementiert werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Sosnoff JJ, Weikert M, Dlugonski D, Smith DC, Motl RW. Quantifying gait impairment in multiple sclerosis using GAITRite™ technology. Gait & posture. 2011 May 1;34(1):145-7.
2.
Ying H, Silex C, Schnitzer A, Leonhardt S, Schiek M. Automatic Step Detection in the Accelerometer Signal. In: Leonhardt S, Falck T, Mähönen P, editors. BSN 2007: 4th International Workshop on Wearable and Implantable Body Sensor Networks, BSN 2007, 26-28 March 2007, RWTH Aachen University, Germany. Berlin: Springer; 2007. p. 80–85.
3.
Shammas L. Objective assessment of motor and gait parameters of patients with multiple sclerosis [Dissertation]. Karlsruhe: Karlsruher Institut für Technologie; 2018.
4.
Panagiota A, Layal S, Stefan H. Assessment of Human Gait Speed and Energy Expenditure Using a Single Triaxial Accelerometer. In: Yang GZ, editor. BSN 2012: Proceedings, Ninth International Workshop on Wearable and Implantable Body Sensor Networks, BSN 2012, 9-12 May 2012, London, United Kingdom. Los Alamitos: Conference Publishing Services, IEEE Computer Society; 2012. p. 184–188.