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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Konzeption und prototypische Umsetzung eines Systems zur Therapieunterstützung für Patienten mit Muskeldefiziten an Unterarmen

Meeting Abstract

  • Max Blumenstock - Hochschule Heilbronn, Medizinische Informatik, Heilbronn, Germany
  • Julia Häussler-Sigler - Hochschule Heilbronn, Medizinische Informatik, Heilbronn, Germany
  • Julia Lutyj - Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Germany
  • Martin Wiesner - Hochschule Heilbronn, Medizinische Informatik, Heilbronn, Germany; GMDS AG Consumer Health Informatics, Heilbronn, Bochum, Kiel, Germany
  • Wolfgang Heß - Hochschule Heilbronn, Fakultät für Informatik, Heilbronn, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 151

doi: 10.3205/19gmds102, urn:nbn:de:0183-19gmds1028

Published: September 6, 2019

© 2019 Blumenstock et al.
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Text

Motivation: Die Physiotherapie ist eine der wichtigsten Rehabilitationsmethoden [1]. Vor allem Schlaganfallpatienten profitieren von einer physiotherapeutischen Behandlung [2]. In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 270.000 Schlaganfällen, die u.a. halbseitige Lähmungen zur Folge haben [3]. In Folge dessen ist die Handmotorik häufig eingeschränkt und die Muskulatur geschwächt. Diese kann durch Therapieeinheiten wiederaufgebaut und gezielt trainiert werden [4].

Hierfür existieren mehrere klassische Unterarmtherapien. Eine etablierte Trainingsmethode ist der Knautschball, welcher die Unterarmmuskulatur durch regelmäßiges Zusammendrücken stimuliert und funktional trainiert [5]. Hierbei geht jedoch die Trainingsmotivation bei vielen Patienten nach kurzer Zeit verloren [6]. Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht die Entwicklung einer Alternative hierzu auf Basis der Elektromyographie (EMG).

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass EMG-Biofeedback zu einem positiven Trainingseffekt beitragen kann [7], [8]. In diesem Zusammenhang sind EMG-Armbänder geeignet. Mit Hilfe dieser werden Muskelkontraktionen im Unterarm eines Patienten gemessen. Ziel ist es, diese durch eine Smartphone-App in eine Tonfolge umzusetzen und dadurch ein akustisches Feedback zu erzeugen.

Material und Methoden: Für die Erfassung der Muskelkontraktionen wurde das Myo Gesture Control Armband genutzt [9]. Dieses ermöglicht es, Muskelpotentiale der Unterarm- und Fingermuskulatur mittels einer 9-achsigen Messeinheit zu erkennen und zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung zu stellen. Außerdem liefert es relative Position und Ausrichtung des Unterarms im Raum. Ebenso unterstützt das EMG-Armband die Interpretation und Auswertung von Gesten [10]. Mit Hilfe eines AD-Wandlers werden die erfassten elektrischen Signale in ein digitales Signal übersetzt, welchem eine Geste zugeordnet wird.

Diesen Gesten werden einzelne Töne zugewiesen. Hierdurch wird die Möglichkeit geschaffen, dass Patienten einfache Tonfolgen oder Musikstücke üben. Somit kann die Therapie von geschwächten Muskelpartien gezielt gefördert werden. Die erzeugten Töne werden über ein Smartphone oder Tablet ausgegeben.

Ergebnisse: Das Konzept der vorliegenden Arbeit ermöglicht die Umwandlung von Gesten in musikalische Tonfolgen für Patienten mit Muskeldefiziten. Hierfür wurde eine prototypische Umsetzung auf Basis einer Android-App realisiert. Die Anwendung ermöglicht unter Verwendung des Myo Gesture Control Armbands das gezielte Training des rechten oder linken Unterarms.

Über eine Bluetooth-Schnittstelle werden die am Unterarm erfassten Rohdaten an eine Smartphone-Applikation übertragen und ausgewertet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der zeitnahen Wiedergabe der erzeugten Töne, sodass Anwender/innen der App die Akustik nicht als asynchron empfinden (d.h. t < 100 ms).

Patienten steht ein Trainingsprogramm in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen zur Verfügung, bei welchem sie vorgegebene Tonfolgen nachspielen können. Dabei werden die auszuführenden Bewegungen angezeigt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eigene Musik aufzunehmen und zu speichern.

Diskussion: Der Prototyp bietet vorgegebene Hand- und Fingergesten. Dies erleichtert die Nutzung der Anwendung. Eine Erweiterung könnte darin bestehen, dass Nutzer Gesten selbst definieren können. Dies hätte den Vorteil, dass die Anwendung individuell in den Therapieverlauf des Patienten integrierbar wäre.

Ebenfalls müsste mit Hilfe von Probanden evaluiert werden, welchen Komplexitätsgrad die Musik maximal aufweisen sollte, sodass die Motivation und der erhoffte Trainingseffekt sichergestellt werden können.

Eine Nutzung des vorgestellten Konzepts wäre darüber hinaus auch für Patienten nach einer Handamputation denkbar, da deren Unterarmmuskulatur meist noch intakt ist. Dadurch könnte die Wartezeit bis zu einer möglichen Prothese überbrückt und die Muskulatur dabei aktiv trainiert werden [11].

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Oujamaa L, Relave I, Froger J, Mottet D, Pelissier JY. Rehabilitation of arm function after stroke - Literature review. Annals of Phys and Rehab Med. 2009;52(3):269–293. DOI: 10.1016/j.rehab.2008.10.003 External link
2.
Blennerhassett J, Dite W. Additional task-related practice improves mobility and upper limb function early after stroke: A randomised controlled trial. Australian J of Physiotherapy. 2004;50(4):219–224. DOI: 10.1016/S0004-9514(14)60111-2 External link
3.
Heuschmann PU, Busse O, Wagner M, Endres M, Villringer A, Röther J, Kolominsky-Rabas PL, Berger K. Schlaganfallhäufigkeit und Versorgung von Schlaganfallpatienten in Deutschland. Akt Neurol. 2010; 37(7):333–340. DOI: 10.1055/s-0030-1248611 External link
4.
Feys H, De Weerdt W, Verbeke G, Cox Steck G, Capiau C, Kiekens C, Dejaeger E, Van Hoydonck G, Vermeersch G, Cras P. Early and Repetitive Stimulation of the Arm Can Substantially Improve the Long-Term Outcome After Stroke: A 5-Year Follow-up Study of a Randomized Trial. Arch of Phys Med and Rehab. 2007;88(11):1369–1376. DOI: 10.1016/j.apmr.2007.08.001 External link
5.
Wu JZ, Sinsel EW, Warren CM, Welcome DE. An evaluation of the contact forces on the fingers when squeezing a spherical rehabilitation ball. Biomed Mater Eng. 2018;29(5):629–639. DOI: 10.3233/BME-181013 External link
6.
Luker J, Lynch E, Bernhardsson S, Bennett L, Bernhardt J. Stroke Survivors' Experiences of Physical Rehabilitation: A Systematic Review of Qualitative Studies. Arch of Phys Med and Rehab. 2015;96(9):1698–1708.e10. DOI: 10.1016/j.apmr.2015.03.017 External link
7.
Kim JH. The effects of training using EMG biofeedback on stroke patients upper extremity functions. Journal of physical therapy science. 2017;29(6):1085–1088. DOI: 10.1589/jpts.29.1085 External link
8.
Rayegani SM, Raeissadat SA, Sedighipour L, Mohammad Rezazadeh I, Bahrami MH, Eliaspour D, Khosrawi S. Effect of Neurofeedback and Electromyographic-Biofeedback Therapy on Improving Hand Function in Stroke Patients. Topics in Stroke Rehabilitation. 2014;21(2):137-151. DOI: 10.1310/tsr2102-137 External link
9.
Thalmic Labs. Myo Gesture Control Armband tech specs. [Accessed 03 April 2019]. Available from: https://support.getmyo.com/hc/en-us/articles/202648103-Myo-Gesture-Control-Armband-tech-specs External link
10.
Mendez I, Hansen BW, Grabow CM, Smedegaard EJL, Skogberg NB, Uth XJ, Bruhn A, Geng B, Kamavuako EN. Evaluation of the Myo armband for the classification of hand motions. IEEE Int Conf Rehabil Robot. 2017 Jul;2017:1211-1214. DOI: 10.1109/ICORR.2017.8009414 External link
11.
Schieber MH, Lang CE, Reilly KT, McNulty P, Sirigu A. Selective activation of human finger muscles after stroke or amputation. Adv Exp Med Biol. 2009;629:559–575. DOI: 10.1007/978-0-387-77064-2_30 External link