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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Evaluation der IT-gestützten Pflegedokumentation am Klinikum der Universität München (KUM)

Meeting Abstract

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  • Tanja Siegert - Klinikum der Universität München, München, Germany
  • Inge Eberl - Klinikum der Universität München, München, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 43

doi: 10.3205/19gmds075, urn:nbn:de:0183-19gmds0756

Published: September 6, 2019

© 2019 Siegert et al.
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Einleitung: In den letzten Jahren wurden der Pflege in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen immer mehr Dokumentationspflichten auferlegt. Sie dienen der Qualitätssicherung und der Haftungsentlastung [1].

Inwieweit IT-gestützte Pflegedokumentationssysteme in diesem Zusammenhang zur Verbesserung der Qualität der Pflegedokumentation beitragen, wird nachfolgend anhand von Evaluationsergebnissen beschrieben.

Methode: Es wurde eine deskriptiv–explorative Querschnittsstudie in einem Mixed-Method Design durchgeführt [2]. Dazu wurden quantitative und qualitative Verfahren trianguliert. Die quantitativen Daten wurden mittels standardisierter schriftlicher Befragung der Anwender und standardisierter Inhaltsanalysen der IT-gestützten Pflegedokumentation erhoben. Die qualitativen Daten dieser Studie stammen aus Experteninterviews [3] mit den Stationsleitungen. Die schriftliche Befragung erfolgte im Rahmen einer Vollerhebung bei Pflegefachpersonen auf 19 Allgemeinstationen verschiedener Fachrichtungen der konservativen und operativen Medizin am KUM. Für die Experteninterviews und die standardisierte Dokumentenanalyse fand eine zielgerichtete Stichprobenauswahl von vier Stationen statt. Die Auswahl erfolgte kontrastierend, je nach Stand der Umsetzung der IT-gestützten Pflegedokumentation, mit dem Ziel, die Umsetzung in ihrer heterogenen Anwendung abzubilden [2], [4]. Es wurden insgesamt vier Stationsleitungen interviewt und 36 IT-gestützte-Pflegedokumentationen analysiert.

Ergebnisse: Von den ausgeteilten 323 Fragebögen wurden insgesamt 113 Bögen (n=113) ausgefüllt zurückgegeben. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 34 Prozent.

Allgemein zeigen die Ergebnisse eine deutliche quantitative Verbesserung der Vollständigkeit der Pflegedokumentation. Allerdings beschreiben die Pflegenden auch einen hohen Dokumentations- und Zeitaufwand. Dieser erhöhte Aufwand lässt sich begründen, da mit der IT-gestützten Pflegedokumentation am KUM der Pflegeprozess wesentlich umfassender abgebildet wird, als mit der papiergestützten Pflegedokumentation. Dagegen konnte nur eine leichte qualitative Verbesserung der Pflegedokumentation nachgewiesen werden. Die Pflegenden am KUM beschreiben hierbei vor allem einen hohen Zeitaufwand für die Auswahl von standardisierten administrativen Leistungen und von Pflegeleistungen, welche die jeweiligen Fachabteilungen eher selten benutzen. Somit ist der alltägliche Pflegeaufwand, wie z.B. die Bereitstellung von Medikamenten, größtenteils abgebildet, aber weniger der administrative Aufwand und der Aufwand, der über die täglichen Leistungen des jeweiligen Fachbereiches hinausgeht, was sich auch in den Ergebnissen der Dokumentenanalyse zeigt. Darüber hinaus scheinen sie mit zunehmender Routine in der digitalen Erfassung, die Pflegedokumentation weniger zu reflektieren. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass sich die Dokumentationsqualität bei zunehmender Produktivzeit der IT-gestützten Pflegedokumentation verschlechtert. Begründet werden kann dieses Nutzerverhalten zum einen anhand der wenig wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit des Systems. Zum anderen kann es aber auch an der mangelnden Einsicht in die Bedeutung der Dokumentation liegen. Neben allen Begründungen kann dieses Ergebnis allerdings auch auf den Hawthorne-Effekt hinweisen [5].

Insgesamt kann festgestellt werden, dass sich die Pflegenden durch die IT-gestützte Pflegedokumentation unterstützt fühlen, vor allem fühlen sie sich durch die Automation in der Erfassung erlösrelevanter Fälle unterstützt. Verbesserungspotenzial besteht vorwiegend in der Benutzerfreundlichkeit des Systems und der noch ausstehenden Vernetzung mit der digitalen Patientenakte („Klinische Prozesse“ und „Medikationsprozess“).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass sich bei Einführung der IT-gestützten Pflegedokumentation nicht nur mit der technischen Umsetzung und Weiterentwicklung des IT-Systems auseinandergesetzt werden muss, sondern es muss auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem pflegerischen Versorgungsprozess erfolgen (analog [6]).

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). § 630h Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler. [Accessed 16 July 2019]. Available from: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630h.html External link
2.
Kuckartz U. Mixed Methods: Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Berlin: Springer-Verlag; 2014.
3.
Döhring N, Bortz J. Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg: Springer; 2016.
4.
Flick U. Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt; 2017.
5.
Schreyögg G, Geiger D. Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. Wiesbaden: Springer Gabler; 2016.
6.
Mahler C, Renz A, Kandert M, Spies P, Hoppe B, Eichstädter R, Ammenwerth E. Die Einführung rechnergestützter Pflegedokumentation am Beispiel von PIK®-Grenzen und Möglichkeiten. Erfahrungen aus einem Pilotprojekt. PrInerNet. 2003;11(03):68-74.