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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Entwicklung eines routinedatengestützten Prognosemodells zur Identifikation von Patienten mit einem erhöhten Bedarf für ein Entlassmanagement

Meeting Abstract

  • Thorsten Pollmann - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, Göttingen, Deutschland
  • Thomas Grobe - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, Göttingen, Deutschland
  • Katja Kleine-Budde - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, Göttingen, Deutschland
  • Klaus Focke - BKK Dachverband e.V., Berlin, Deutschland
  • Karl Blum - Deutsches Krankenhausinstitut (DKI), Düsseldorf, Deutschland
  • Björn Broge - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 235

doi: 10.3205/18gmds062, urn:nbn:de:0183-18gmds0625

Published: August 27, 2018

© 2018 Pollmann et al.
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Text

Hintergrund: Das vom Innovationsfonds des G-BA geförderte Projekt zur „Entwicklung von Methoden zur Nutzung von Routinedaten für ein sektorenübergreifendes Entlassmanagement (EMSE)“ sieht vor, Routinedaten der Krankenkassen auszuwerten, um bereits zu Beginn eines stationären Krankenhausaufenthaltes Patienten mit einem erhöhten Bedarf für ein Entlassmanagement zu identifizieren und bedarfsgerecht versorgen zu können. Neben der hierfür erforderlichen Methodenentwicklung werden im Rahmen des Projektes auch die gesetzlichen Grundlagen sowie die technische Umsetzbarkeit geprüft, um Lösungen regelhaft in die Routinen von Krankenhäusern und Krankenkassen implementieren zu können.

Ziel der Studie: Das Vorhaben zielt auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität durch die Vermeidung von Wiederaufnahmen, Morbidität und Mortalität infolge ungenügend geplanter Überleitungen ab. Dazu soll ein Prognosemodell entwickelt werden, mit dem statistische Wahrscheinlichkeiten für spezifische poststationäre Versorgungsbedarfe auf der Grundlage von routinemäßig verfügbaren Daten geschätzt werden. Hierzu müssen in den Daten geeignete Risikofaktoren für die jeweils definierten Bedarfe identifiziert werden. Die Prognoseergebnisse sollen künftig im Rahmen des Entlassmanagements als zusätzliche Entscheidungshilfe fungieren, so dass notwendige Nachsorgemaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.

Vorgeschlagene Methode: Die Datenbasis bilden anonymisierte Leistungsdaten der BAHN-BKK, Siemens BKK und BKK Linde. Eingeschlossen werden alle Versicherten, die in den Jahren 2013 bis 2015 mindestens einmal aus einer stationären Krankenhausbehandlung entlassen worden sind (n=619.449). Unter Berücksichtigung eines Vor- und Nachbeobachtungszeitraumes werden insgesamt 366.734 Entlassungsfälle im Jahr 2014 untersucht. Neben den Krankenhausfalldaten (§ 301 SGB V) liegen für die Versicherten auch ambulante und stationäre Diagnosen sowie Leistungsinanspruchnahmen (z.B. Reha, Pflege, Hilfsmittel) für den o.g. Untersuchungszeitraum vor. Zur Operationalisierung unterschiedlicher Nachsorgebedarfe werden insgesamt sieben Outcomes definiert: Notfallwiederaufnahmen, ambulante Notfallbehandlung, Mortalität, stationäre Pflege, Pflegestufen-/Pflegegraderhöhung, medizinische Rehabilitation und Hilfsmittelbedarf. Mit Ausnahme der Pflegestufen-/Pflegegradhöhung (innerhalb von 90 Tagen) werden alle Outcome-Ereignisse berücksichtigt, die innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung auftreten. Als Prädiktoren zur Vorhersage der Bedarfe dienen sowohl Patientenmerkmale (Alter, Geschlecht, Pflegestufe/-grade) und Aufnahmediagnosen des Indexfalls als auch prästationäre Diagnosen und Leistungsinanspruchnahmen, wie häufige oder lange vorherige Krankenhausaufenthalte, eine Polymedikation oder ein Hilfsmittelbedarf. Die Effektabschätzung erfolgt für jedes Outcome unter Anwendung eines logistischen Regressionsmodells. Zur Beurteilung der Vorhersagegüte und zur Ableitung von Schwellenwerten werden klassische Testgütekriterien (Sensitivität, Spezifität, positiver Vorhersagewert) herangezogen. Prospektiv sollen die logistischen Regressionsgleichungen im Rahmen einer automatisierten Auswertung der Krankenkassendaten Anwendung finden, indem sie – unter der Voraussetzung einer Einwilligungserklärung – für jeden Patienten die Berechnung seiner individuellen Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der sieben Outcomes erlauben. Das Krankenhaus soll neben den einzelnen Vorhersagewerten, die in Form eines Ampelschemas (grün, gelb, rot) klassifiziert und dargestellt werden, auch eine zusammenfassende Gesamtbeurteilung erhalten.

Diskussionspunkte: Wesentliche Herausforderungen sind im Zuge der geplanten Implementierung einer Auswertungsroutine zu erwarten. Hier wird zu prüfen sein, inwieweit sich aufwendigere Schritte der Datenaufbereitung automatisieren und gegebenenfalls zeitnah anpassen lassen. Zudem sind die Datenaustauschverfahren zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen je nach Abrechnungskontext unterschiedlich geregelt, so dass zum Teil von erheblichen Verzögerungen in der Verfügbarkeit der einzelnen Datenbestände auszugehen ist. Ein weiterer Diskussionspunkt besteht in der Zuordnung der spezifischen Wahrscheinlichkeiten zu den drei Ampelkategorien, bei deren Festlegung es nicht nur empirische Überlegungen, sondern auch die ökonomische Tragweite sowie ethische Implikationen zu beachten gilt.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.