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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Phantombasierte Rekonstruktion von Organdosen für retrospektive epidemiologische Studien am Beispiel von Gesamtschädelbestrahlungen im Rahmen der SCAR-Studie

Meeting Abstract

  • Peter Scholz-Kreisel - Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland
  • Daniel Wollschläger - Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland
  • Heinz Schmidberger - Universitätsmedizin Mainz, Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Mainz, Deutschland
  • Heiko Karle - Universitätsmedizin Mainz, Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 202

doi: 10.3205/18gmds015, urn:nbn:de:0183-18gmds0159

Published: August 27, 2018

© 2018 Scholz-Kreisel et al.
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Text

Einleitung: Bei Exposition gegenüber ionisierender Strahlung im Rahmen der Krebstherapie ist zur Schätzung des Risikos für Folgeschäden in bestimmten Organen die Bestimmung der Organdosen von elementarer Bedeutung. Dies gilt auch für die Modellierung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Bei retrospektiven Studien liegen Organdosen jedoch oftmals nicht vor und müssen auf Basis von Therapieprotokollen und patientenspezifischen Aufzeichnungen abgeschätzt werden. Im Folgenden wird gezeigt, wie Phantome zur Schätzung der Organdosis herangezogen werden können. An der SCAR-Studie (Second Cancer after Radiotherapy) zu therapiebedingten Folgeneoplasien nach einer Krebserkrankung im Kindesalter wird beispielhaft ein Verfahren zur Schätzung der Organdosen bei Gesamtschädelbestrahlung vorgestellt.

Methoden: Als Quelle für die verordneten Dosen im Zielvolumen der Strahlentherapie werden Therapiepläne, Patientenakten und Studienprotokolle verwendet. Als Mindestangaben sind die kumulative Bestrahlungsdosis und der Ort der Bestrahlung notwendig. Weitere Informationen zur Bestrahlungstechnik oder Feldgeometrie können das Modell verfeinern. Phantome sind physikalische oder computermodellierte Referenzanatomien, die es erlauben, die Strahlendosis an verschiedenen Orten im Körper für gegebene Strahlenfelder physikalisch zu messen oder komputational zu schätzen. In der SCAR-Studie wurden Hybrid-Phantome des NCI [1] verwendet, die sich analog zu CT Bilddaten realer Patienten in das Therapieplanungssystem (TPS) Eclipse V.15.1 (Varian Medical System, Palo Alto, CA) importieren lassen. Nach Definition der Strahlenfelder im TPS wie in der herkömmlichen Strahlentherapie, erfolgt die Schätzung der Organdosen durch den im TPS integrierten AAA-Algorithmus.

Ergebnisse: Im Rahmen der SCAR-Studie erfolgten Dosisberechnungen bei der Radiatio des Neurocraniums für Co-60 Bestrahlung, sowie 6MV und 18MV Bestrahlung mittels Linearbeschleuniger für Phantome beiden Geschlechts der Altersstufen Neugeboren, 1 Jahr, 5 Jahre, 10 Jahre, 15 Jahre und 35 Jahre. Auf dieser Basis wurden Dosis-Volumen-Histogramme (DVH) für 41 in den Phantomen definierte Organe bzw. anatomische Strukturen ermittelt. Aus den DVHs lassen sich verschiedene Metriken für die Organdosis ableiten. Die geschätzte Dosis bei einer Bestrahlung mit Co-60 und einer verordneten Gesamtdosis von 18 Gy lag für ein bestrahlungsnahes Organ wie die Augenlinse zwischen 1,9 Gy und 9,8 Gy und für die weiter entfernt liegende Schilddrüse zwischen 0,2 Gy und 0,8 Gy. Die großen Unterschiede in den Organdosen resultieren aus Unterschieden in Alter und Geschlecht, die die Entfernung der Organe zum Hauptstrahlenfeld und die Organgeometrie beeinflussen.

Diskussion: Die aus den DVHs ermittelten alters- und geschlechtsspezifischen Dosiswerte können für strahlenepidemiologische Untersuchungen herangezogen werden. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die ermittelten Dosiswerte mit Unsicherheiten behaftet sind, da patientenindividuelle Aspekte wie Abweichungen in Größe und Gewicht zu den Phantomen, fehlende Angaben zu Bestrahlungs- und Abschirmungsparametern unberücksichtigt bleiben.

Die Abweichungen der patientenbedingten Einflussparameter auf die Dosisschätzung muss noch weiter untersucht werden. Das prinzipielle Vorgehen der altersabhängigen phantombasierten Dosisschätzung für retrospektive epidemiologische Studien lässt sich jedoch auf beliebige dosimetrische Fragestellungen übertragen. Bei der finalen Risikomodellierung müssen allerdings auch Confounder wie Fraktionierung, Chemotherapie, Art der Neoplasie, Geschlecht und andere Einflussfaktoren berücksichtigt werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Lee C, Jung JW, Pelletier C, Pyakuryal A, Lamart S, Kim JO, Lee C. Reconstruction of organ dose for external radiotherapy patients in retrospective epidemiologic studies. Physics in medicine and biology. 2015;60:2309-2324.