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62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

17.09. - 21.09.2017, Oldenburg

Von der Einzelfallbetrachtung zur strukturierten Analyse von CIRS-Fällen – die Analyse von 52 Fällen aus dem CIRSmedical

Meeting Abstract

  • Cornelia Schröder - Technische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland
  • Laura Tetzlaff - Technische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland
  • Eberhard Beck - Technische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland
  • Katharina Löwe - Technische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland
  • Thomas Schrader - Technische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Oldenburg, 17.-21.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocAbstr. 114

doi: 10.3205/17gmds059, urn:nbn:de:0183-17gmds0599

Published: August 29, 2017

© 2017 Schröder et al.
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Text

Einleitung: Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) sind Meldesysteme für kritische Ereignisse, um die Patientensicherheit in medizinischen Einrichtungen zu verbessern. Die Analyse der anonymisierten Meldungen von Beinahe-Schäden trägt zu einem wesentlichen Lernprozess bei. Neben krankenhausinternen Meldesystemen gibt es auch öffentlich zugängliche, die von verschiedenen Institutionen betrieben werden. Das CIRSMedical ist ein bundesweit verfügbares System des Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin. Bisherige Analysen blieben auf die Untersuchung von Einzelfällen beschränkt. Anhand des Open-Process-Task-Modell (OPT-Modell) werden unsortierte aktuelle 52 Fälle aus dem CIRSMedical (www.cirsmedical.de) einer systematischen, aggregierten Analyse unterzogen.

Methoden: Die 52 unsortierten, aktuellen Fälle von Januar bis März 2017 gehören zu den Bereichen der Anästhesie, inneren Medizin, Orthopädie, Apotheke und der zentralen Notaufnahme. Nach der Zuordnung der Fälle zu medizinischen Prozessen und Aufgaben erfolgte die Analyse unter Anwendung des OPT-Modells. Dabei werden die Eigenschaften der Aufgabe hinsichtlich der Anforderungen untersucht und den Lösungsmöglichkeiten der Einrichtung/ des Teams gegenübergestellt. Dazu wurden systematisch die Eigenschaften der Information, des Patienten, der Aufgabe selbst, des Teams und der Arbeitsumgebung über Listen mit Attributen abgefragt (vergleichbar mit der HAZOP-Methode).

Ergebnisse: In 22 Fällen der 52 analysierten Berichten waren zwei oder mehr Prozesse mit ihren Aufgaben voneinander abhängig, so dass insgesamt 75 Aufgaben untersucht wurden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in den Aufgaben nur dann Eigenschaften erfasst wurden, wenn diese explizit in den Fallberichten beschrieben wurden.

Die 75 Aufgaben wurden sechs verschiedenen Prozessen zugeordnet. Der medizinischen Versorgung wurden 34 Aufgaben zugeordnet, 16 Aufgaben gliederten sich dem Prozess Organisation an. Dem Prozess Operation gehörten 13 Aufgaben an. Sechs Aufgaben vielen in den Prozess der Apotheke, drei den Wartungsprozess und drei dem Notfallmanagement.

Die Anforderungen resultierten aus den Besonderheiten der Patientinnen und Patienten, der Information und der Aufgabe selbst. Die Komplexität von Information hängt mit der Art der Informationsübermittlung, der Strukturiertheit und dem Volumen zusammen. Lösungskapazitäten ergeben sich aus der Einhaltung von Standards, der Verfügbarkeit von medizinischen Geräten und Teameigenschaften.

Die Analyse zeigt, dass in etwa 80 % der Fallberichte die Anforderungen eher gering bis mittelgradig waren und keine extreme Herausforderung für die Einrichtung und das Team darstellen sollte. Am häufigsten führten Fehler zu Problemen in therapeutischen Aufgaben. An zweiter Stelle traten jedoch organisatorische Probleme auf, die dafür verantwortlich waren, dass die medizinischen Aufgaben verminderte Lösungskapazitäten aufwiesen.

Diskussion: CIRS Fälle haben immer ein Problem mit der Repräsentativität, was mit der retrospektiven Analysestrategie, dem unterschiedlichen Meldeverhalten und den Prozessen der Fallfreigabe zur Veröffentlichung zusammenhängt. Die Auswertbarkeit von CIRS-Fällen wird erschwert durch die Unterschiedlichkeit der Fallbeschreibungen. Die Anwendung von verfügbaren Standards und eine einfach zugängliche Schnittstelle an die Daten helfen, den Auswertungsprozess zu vereinfachen.

Das OPT-Modell hilft dabei, die Vulnerabilität von medizinischen Prozessen zu untersuchen und zu verstehen, in dem es die strukturellen Eigenschaften von medizinischen Prozessen untersucht. Die Stabilität in der Ausführung von Aufgaben hängt wesentlich von den verfügbaren Lösungskapazitäten ab, die sich aus den Eigenschaften der Teams, den verfügbaren Mitteln und den Geräten ergeben.



Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


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