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62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

17.09. - 21.09.2017, Oldenburg

Epidemiologische Studie zu spezifischen und unspezifischen Wirkungen der BCG-Impfung in Deutschland mit Kosten-Nutzen-Bewertung

Meeting Abstract

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  • Laura Sanders - Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland
  • Sina Maiwald - Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland
  • Helmut Brunner - Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Oldenburg, 17.-21.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocAbstr. 160

doi: 10.3205/17gmds025, urn:nbn:de:0183-17gmds0251

Published: August 29, 2017

© 2017 Sanders et al.
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Einleitung: In neuen Studien zur „trained immunity“ werden der BCG-Impfung unspezifische, schützende Wirkungen zugeschrieben, die über den Schutz gegen Tuberkulose hinausgehen [1]. Diese Effekte sollen für Deutschland nachvollzogen werden. Analog zu einer Studie in Spanien von de Castro et al. 2015 besteht das Ziel dieser Untersuchung darin, Unterschiede in den Hospitalisierungsraten von BCG-geimpften und nicht-geimpften Personen festzustellen [2]. Die BRD und die DDR stellen bis 1990 geeignete Vergleichsgruppen dar, da BCG in der DDR von 1953 bis zur Wiedervereinigung eine Pflichtimpfung war, während in der BRD in diesem Zeitraum vorwiegend gefährdete Neugeborene geimpft worden sind [3].

Methoden: Aus Krankenhausdaten von 2000 sowie Statistiken meldepflichtiger Erkrankungen wurden die Zielvariablen Morbidität, Inzidenz, Hospitalisierungsrate und/oder Letalität berechnet [4]. Betrachtet wurden die Altersklassen der 15-45-Jährigen sowie der 10-15-Jährigen. Um regionale Einflüsse zu kontrollieren wurden neben dem nationalen Vergleich auch die einzelnen Länder Sachsen und Bayern sowie Thüringen und Hessen verglichen. Zur Testung auf Unterschiede der Kennzahlen zwischen den verschiedenen Wohnorten wurde der Χ2-Unabhängigkeitstest durchgeführt. Außerdem wurden absolute Risikoreduktionen sowie relative Risiken berechnet, um die Stärke der möglichen Schutzwirkung zu bestimmen. Diese Ergebnisse dienten als Basis für eine Kosten-Nutzen-Analyse, KNA. Die Kosten einer flächendeckenden Wiedereinführung der BCG Impfung wurden dem Nutzen, in Form der eingesparten Behandlungskosten der verhinderten Erkrankungen, gegenüber-gestellt.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zu den spezifischen Effekten implizieren, dass BCG das Tuberkuloserisiko in Deutschland gesenkt hat. Nach Einführung der Pflichtimpfung ließ sich eine signifikant geringere Morbidität in der DDR gegenüber der BRD nachweisen. Die Letalität der Tuberkulose war jedoch in der ehemaligen DDR höher. Bezüglich des Bestehens unspezifischer Schutzeffekte konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass BCG die Zahl der Hospitalisationen von 15-45-Jährigen durch Meningitis (RR: 0,75; 95% KI [0,68; 0,81]), Pneumonie (0,92 [0,88; 0,95]), Sepsis (0,85 [0,75; 0,96]), Syphilis (0,54 [0,44; 0,65]) und HIV (0,2 [0,17; 0,24]) senkt. Diese Ergebnisse konnten, abgesehen von der Sepsis, in Bundesländervergleichen bestätigt werden. In der Altersklasse der 10-15-Jährigen konnten signifikante Schutzeffekte nur für Meningitis (0,75 [0,65; 0,0,86]) und HIV-Erkrankung (0,14 [0,03; 0,58]) gezeigt werden. Bei Syphilis und HIV/AIDS werden „Men who have Sex with Men (MSM)“ als Confounders vermutet. Für die Letalität als Zielparameter konnten keine signifikanten Ergebnisse ermittelt werden. In der KNA wurde eine negative Kostenersparnis von -1.574.795,30 Euro [-5.864.236,33; -900.018,07] berechnet.

Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass BCG neben dem spezifischen auch einen unspezifischen Schutz induziert. Die KNA impliziert jedoch auch, dass eine Wiede-einführung der Impfung aus Kostensicht in der BRD derzeit nicht indiziert wäre. Die Validität der Ergebnisse ist eingeschränkt, da keine ambulanten Daten untersucht werden konnten und die Impfquote der BRD nicht bekannt ist. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Einflussfaktoren die Unterschiede in den Hospitalisierungsraten bedingen. Trotz Limitationen begründen die Ergebnisse eine Weiterverfolgung der Thematik. Es sollten ambulante und stationäre Daten einbezogen werden, die sich vor allem auf bakterielle Krankheiten und Kinder unter 10 Jahren fokussieren, da die Wirkung von BCG nach den vorliegenden Studien zeitlich begrenzt ist [5].



Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Netea MG, Joosten LAB, Latz E, et al. Trained immunity: A program of innate immune memory in health and disease. Science. 2016;352(6284):aaf1098-1–9.
2.
Castro MJ de, Pardo-Seco J, Martinon-Torres F. Nonspecific (heterologous) protection of neonatal BCG vaccination against hospitalization due to respiratory infection and sepsis. Clin Infect Dis. 2015;60(11):1611–19.
3.
Klein S, Schöneberg I, Krause G. Vom Zwang zur Pockenschutzimpfung zum Nationalen Impfplan. Bundesgesundheitsblatt. 2012;55(11-12):1512–23.
4.
Pöhn HP, Rasch G. Statistik meldepflichtiger übertragbarer Krankheiten. Vom Beginn der Aufzeichnungen bis heute (Stand 31.Dezember 1989). München: MMV Medizin-Verlag; 1994.
5.
Kjaergaard J, Birk NM, Nissen TN, et al. Nonspecific effect of BCG vaccination at birth on early childhood infections: a randomized, clinical multicenter trial. Pediatr Res. 2016;80(5):681-685.