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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Abbildung der Versorgungsqualität von Kindern mit sehr niedrigem Geburtsgewicht auf Basis von Routinedaten

Meeting Abstract

  • Stefanie Konheiser - AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Günther Heller - AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Alexandra Biermann - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 110

doi: 10.3205/15gmds184, urn:nbn:de:0183-15gmds1849

Published: August 27, 2015

© 2015 Konheiser et al.
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Text

Einleitung: Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 9000 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g geboren (Very Low Birth Weight, VLBW), deren regelhafte Behandlung in spezialisierten Perinatalzentren (Level 1 und Level 2) durchgeführt wird. Im vorliegenden Beitrag wird ein Verfahren vorgestellt, in welchem die Behandlungsqualität dieser Zentren auf der Basis von Routinedaten der AOK abbildet wird.

Bisher ist eine verlässliche Ermittlung der Versorgungsqualität von Krankenhäusern nur eingeschränkt möglich, da die flächendeckend durchgeführte externe stationäre Qualitätssicherung folgende methodische Einschränkungen aufweist:

1.
Sterbefälle sind relevant unterdokumentiert [1], [2]
2.
Die Auswertung lediglich eines Datenjahres erlaubt keine zuverlässige (reliable) Messung der Versorgungsqualität
3.
Eine einrichtungsübergreifende Abbildung von Behandlungsverläufen ist nicht möglich. Todesfälle und Komplikationen bei verlegten Kindern werden daher ggf. der falschen Einrichtung zugeschrieben
4.
Die Auslösung des QS-Filters ist unzureichend, da verlegte Kinder mehrfach gezählt werden
5.
Follow-up-Informationen liegen nicht vor

Fragestellung: Sind Routinedaten zur Abbildung der Versorgungsqualität von Frühgeborenen geeignet? Stellt ihre Verwendung eine Alternative zur Nutzung der Daten der externen stationären Qualitätssicherung dar?

Material und Methoden:

Datengrundlage: Es wurden anonymisierte stationäre Abrechnungsdaten von vollstationär behandelten AOK-versicherten Kindern mit einem Aufnahmegewicht von 200 bis 1499 g genutzt, die zwischen dem 01.01.2008 und dem 31.12.2012 entlassen wurden und bei Erstaufnahme maximal zwei Tage alt waren. Zur Definition von Ein- und Ausschlusskriterien, wie auch von Follow-up-Informationen wurden Abrechnungsdaten von Kindern bis zu einem Entlasszeitpunkt im September 2013 berücksichtigt.

Länge des Follow-up-Intervalls: Für einzelne Qualitätsindikatoren wurden Ereignisse von weiteren stationären Aufenthalten bis zu einem Lebensalter von 180 Tagen berücksichtigt, somit wurden auch verlegte Kinder in der Auswertung berücksichtigt. Kinder, die im Follow-up nicht lange genug nachbeobachtet werden konnten, wurden von der Analyse ausgeschlossen (zensiert).

Entwicklung von Qualitätsindikatoren: Die Entwicklung der Qualitätsindikatoren erfolgte in einem mehrstufigen iterativen Prozess unter Einbeziehung eines Expertenpanels.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 10.681 VLBW eingeschlossen. 9 Indikatoren wurden durch das Panel bewertet. Davon wurden 2 Indikatoren, „Neonatale Mortalität“ und „Zusammengesetzter Indikator zur Frühgeborenenversorgung“, zur einrichtungsbezogenen Berichterstattung empfohlen.

Die Verteilung der rohen neonatalen Mortalität für 145 Perinatalzentren schwankte zwischen Null und 22,0%. Ein Viertel der Perinatalzentren wiesen eine 30-Tage-Mortalität unter 3,8% und wiederum ein Viertel eine 30-Tage-Mortalität von mindestens 8,8% auf. In der Analyse der risikoadjustierten Mortalität wiesen 6 Kliniken eine Standardized Mortality Ratio (SMR) von 0 auf. Das höchste klinikspezifische SMR betrug 4,80.

Diskussion: Durch das dargestellte Verfahren zeigt sich, dass Routinedaten zur Abbildung der Versorgungsqualität von Frühgeborenen geeignet sind und methodische Vorteile gegenüber dem Verfahren der externen stationären Qualitätssicherung aufweisen. Eine vollständigere Abbildung von Sterbefällen und einrichtungsübergreifende Analysen bzw. die Abbildung von Patientenverläufen sind hierdurch möglich. Allerdings können aus Gründen des Datenschutzes nicht alle vorhandenen Informationen genutzt werden. So ist eine Verknüpfung der Daten des Kindes mit denen der Mutter, um auch Informationen zum Schwangerschaftsverlauf zu erhalten, bisher nicht möglich.

Die vorgelegten Analysen stellen nach Auffassung der Autoren nicht nur einen relevanten Beitrag, sondern einen Meilenstein zur Entwicklung und Darstellung der einrichtungsübergreifenden Versorgungsqualität von Früh- und Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht dar. Es bleibt zu hoffen, dass mit der Gründung des Instituts für Transparenz und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen (IQTiG) die beschriebenen Vorteile der Routinedaten auch im gesetzlichen Qualitätssicherungsverfahren zeitnah genutzt werden können.


Literatur

1.
Hummler HD, Poets C. Mortalität sehr unreifer Frühgeborener – Erhebliche Diskrepanz zwischen Neonatalerhebung und amtlicher Geburten-/Sterbestatistik. Z Geburtshilfe Neonatol. 2011; 215(1): 10-17.
2.
AQUA. Bericht zur „Aufbereitung einer aussagefähigen Internetdarstellung der Daten des Anhangs der Anlage 1 der Vereinbarung über Maßnahmen zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen‘‘ (NICU). Unveröffentlichter Abschlussbericht, Göttingen: AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH; 2012.